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Die Idee der Universität. Für die gegenwärtige Situation entworfen [1961]
noch lastende Arbeit ist, sondern die Lebensfrage, an dem Hervorbringen der Welt
durch Wissen und durch Wahrheitsdienst mitwirken zu dürfen. Die Besten sind nicht
ein Typus, sondern eine nicht übersehbare Mannigfaltigkeit schicksalsgetragener Per-
sönlichkeiten, deren Wesen in dem Ergreifen einer Sache schließlich objektive Bedeu-
tung gewinnt.
Der zum Universitätsstudium Berufene will das geistige Leben nicht nur als Mittel
zu einem anderen Zweck, zu einem Erfolg in der Welt. Dieser Erfolg ist natürlich be-
gehrt, aber als Moment einer umgreifenden Lebensverfassung. Man könnte den zu die-
ser Welt berufenen Menschen vielleicht so charakterisieren:
Er neigt zur zweckfreien Vollendung in einer gegebenen Lebenslage, zur Verwirkli-
chung einer Idee (als Arzt, Lehrer, Richter usw.), und damit zur Erfüllung jeder Lebens-
sphäre durch die ihr gemäße Substanz, zur Gegenwärtigkeit des Sinnes im geistigen
Tun als solchem. Ist ihm die notwendige Muße durch Befreiung von der unmittelbaren
Daseinsnot gewährt, so ist er in strenger Selbstdisziplin tätig für die Erfüllung sachli-
cher Aufgaben, die ihren Wert in sich haben durch das tiefe Glück, Träger einer Idee
zu sein.
Offenbar kann der Zweck einer Auslese nicht sein, die Menschen als ein gegebenes
Material zu verwerten durch Ausnutzung für Daseinszwecke, die ihnen selber keine Er-
füllung bringen. Vielmehr soll im Geistigen der Mensch zu sich selber kommen, nie
nur Mittel, sondern als Einzelner Endzweck sein, der in der Gemeinschaft der Lebens-
praxis zugleich durch den objektiven Wert seines Tuns gerechtfertigt ist. Wer an Aus-
lese denkt, darf die Unendlichkeit unübersehbarer menschlicher Möglichkeiten nicht
aus dem Auge verlieren.
128 | Um zur Beantwortung der im Blick auf Menschenartung und Auslese entstehen-
den Fragen die Gesichtspunkte und Tatsachen zu gewinnen, bedarf es der Überlegung
über die Begabungsarten (a), über Begabung und Chance (b), und dann über die aus-
wählenden Kräfte (c).
a) Die Begabungsarten
Es ist eine doppelte Erfahrung: daß die Menschen so sehr verschieden sind, und daß
doch alle Menschen etwas Gemeinsames haben. An das Gemeinsame denkt, wer glei-
ches Recht für alle will. Diese Forderung ist sinnvoll, wo wirklich Gemeinsames und
Gleiches vorhanden ist, etwa im materiellen Dasein und seinen Bedürfnissen. Das Ver-
schiedene betont, wer verlangt, die Rangunterschiede der Menschen zu sehen und zu
achten: wer die verschiedenen Eignungen sieht und sie zweckmäßig zum Nutzen größ-
ter Leistung verwandt wissen will; wer die menschlichen Interessen und Triebrichtun-
gen sieht, die Art, dem Geiste zuzustreben, die Unterschiede der Opferfähigkeit für
seine geistige Existenz.
Die Verschiedenheit der Menschen ist außerordentlich. Hier gibt es für den, der
sich die Realität nicht verschleiern will, unausweichliche Einsichten. Sie sind in der
Die Idee der Universität. Für die gegenwärtige Situation entworfen [1961]
noch lastende Arbeit ist, sondern die Lebensfrage, an dem Hervorbringen der Welt
durch Wissen und durch Wahrheitsdienst mitwirken zu dürfen. Die Besten sind nicht
ein Typus, sondern eine nicht übersehbare Mannigfaltigkeit schicksalsgetragener Per-
sönlichkeiten, deren Wesen in dem Ergreifen einer Sache schließlich objektive Bedeu-
tung gewinnt.
Der zum Universitätsstudium Berufene will das geistige Leben nicht nur als Mittel
zu einem anderen Zweck, zu einem Erfolg in der Welt. Dieser Erfolg ist natürlich be-
gehrt, aber als Moment einer umgreifenden Lebensverfassung. Man könnte den zu die-
ser Welt berufenen Menschen vielleicht so charakterisieren:
Er neigt zur zweckfreien Vollendung in einer gegebenen Lebenslage, zur Verwirkli-
chung einer Idee (als Arzt, Lehrer, Richter usw.), und damit zur Erfüllung jeder Lebens-
sphäre durch die ihr gemäße Substanz, zur Gegenwärtigkeit des Sinnes im geistigen
Tun als solchem. Ist ihm die notwendige Muße durch Befreiung von der unmittelbaren
Daseinsnot gewährt, so ist er in strenger Selbstdisziplin tätig für die Erfüllung sachli-
cher Aufgaben, die ihren Wert in sich haben durch das tiefe Glück, Träger einer Idee
zu sein.
Offenbar kann der Zweck einer Auslese nicht sein, die Menschen als ein gegebenes
Material zu verwerten durch Ausnutzung für Daseinszwecke, die ihnen selber keine Er-
füllung bringen. Vielmehr soll im Geistigen der Mensch zu sich selber kommen, nie
nur Mittel, sondern als Einzelner Endzweck sein, der in der Gemeinschaft der Lebens-
praxis zugleich durch den objektiven Wert seines Tuns gerechtfertigt ist. Wer an Aus-
lese denkt, darf die Unendlichkeit unübersehbarer menschlicher Möglichkeiten nicht
aus dem Auge verlieren.
128 | Um zur Beantwortung der im Blick auf Menschenartung und Auslese entstehen-
den Fragen die Gesichtspunkte und Tatsachen zu gewinnen, bedarf es der Überlegung
über die Begabungsarten (a), über Begabung und Chance (b), und dann über die aus-
wählenden Kräfte (c).
a) Die Begabungsarten
Es ist eine doppelte Erfahrung: daß die Menschen so sehr verschieden sind, und daß
doch alle Menschen etwas Gemeinsames haben. An das Gemeinsame denkt, wer glei-
ches Recht für alle will. Diese Forderung ist sinnvoll, wo wirklich Gemeinsames und
Gleiches vorhanden ist, etwa im materiellen Dasein und seinen Bedürfnissen. Das Ver-
schiedene betont, wer verlangt, die Rangunterschiede der Menschen zu sehen und zu
achten: wer die verschiedenen Eignungen sieht und sie zweckmäßig zum Nutzen größ-
ter Leistung verwandt wissen will; wer die menschlichen Interessen und Triebrichtun-
gen sieht, die Art, dem Geiste zuzustreben, die Unterschiede der Opferfähigkeit für
seine geistige Existenz.
Die Verschiedenheit der Menschen ist außerordentlich. Hier gibt es für den, der
sich die Realität nicht verschleiern will, unausweichliche Einsichten. Sie sind in der