Die Idee der Universität. Für die gegenwärtige Situation entworfen [1961]
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sentliche, sei es ermöglichende, sei es ausschließende Bedeutung haben. Aber sie prä-
gnant festzustellen, ist nicht gelungen außer in jenen Voraussetzungen, die objekti-
vierbar sind. Man macht sich das Urteil über Menschen durchweg zu leicht. Das
Studium der Charaktere und Begabungen ist von hohem Interesse, aber am Ende steht
das klare Nichtwissen, das den Raum frei hält für eigentliche Erziehung (a) und für den
Anspruch des Menschen an sich selbst (b):
a) Erziehung trifft sinnvoll auf den Menschen, der keineswegs eindeutig ist, was
er ist. Es kommt darauf an, wie er von Jugend auf geprägt wird. Nicht allein eine nach-
weisbare unveränderliche Bestimmtheit der Anlage entscheidet, sondern von vorn-
herein nicht übersehbare Möglichkeiten, mit deren Verwirklichung immer zugleich
andere Möglichkeiten vernichtet werden. Ein Geist des Hauses, der Anstalt, der Ge-
meinschaft, der Öffentlichkeit formt durch die Weisen des darin gewohnten und von
selber sich aufzwingenden Benehmens und Sprechens, der unwillkürlich anerkann-
ten Symbole und Worte, durch Ansprüche und Formen. Nach dem Erscheinungsbild
einer Menschengruppe zu urteilen, was diese Menschen ihrem Wesen nach seien, ist
immer ungerecht, wenn man nicht die ihnen zuteil gewordene und täglich zuteilwer-
dende Erziehung vergegenwärtigt. Man müßte sehen, was aus ihnen unter einer an-
deren Erziehung würde, um weiter zu erfahren und doch nie endgültig zu wissen, was
sie sein können. Der Mut zur Erziehung beruht auf dem Vertrauen in schlummernde
Möglichkeiten.
b) Kein Mensch kann von sich wissen, was er ist und wozu er fähig ist. Er muß es ver-
suchen. Nur der Ernst des Entschlusses, | für den das Gewissen nur im einzelnen Selbst
spricht, und für den kein Urteil von außen die Verantwortung übernehmen darf, ent-
scheidet über den zu versuchenden Weg. Was durch Arbeit und inneres Handeln120 aus
mir werden kann, kann ich nicht vorher wissen.403 Wer in die Lage gekommen ist, zu
studieren, soll sich als berufen betrachten, denn man soll in jeder Lage tun, was in die-
ser Lage geschehen muß. Wer einmal in die Situation gestellt ist, geistig werden zu dür-
fen, der soll daraus keinerlei Anspruch nach außen, aber Verpflichtung für sich herleiten.
Alles in allem: Die Menschen sind nicht feststehende Artungen, die unveränder-
lich wie Tiere sei es zu verwenden sei es nicht zu brauchen sind, sondern sie bleiben
im Werden als je so Gewordene voll verborgener Möglichkeiten.
b) Begabung und Chance
In aller Gesellschaft gibt es Unterschiede der materiellen Wohlfahrt, gibt es vor allem
den Unterschied der Über- und Untergeordneten. Das Ideal ist, daß die hervorragend-
sten Menschen auch die Führenden sind, daß die Hierarchie der gesellschaftlichen
Ordnung zusammenfällt mit der Hierarchie der persönlichen Unterschiede an ethi-
schem Rang. Es ist das Ideal, das von Plato formuliert wurde, nach dem die staatlichen
Verhältnisse erst besser werden würden, wenn die Philosophen Staatslenker oder die
Staatslenker Philosophen würden.50
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sentliche, sei es ermöglichende, sei es ausschließende Bedeutung haben. Aber sie prä-
gnant festzustellen, ist nicht gelungen außer in jenen Voraussetzungen, die objekti-
vierbar sind. Man macht sich das Urteil über Menschen durchweg zu leicht. Das
Studium der Charaktere und Begabungen ist von hohem Interesse, aber am Ende steht
das klare Nichtwissen, das den Raum frei hält für eigentliche Erziehung (a) und für den
Anspruch des Menschen an sich selbst (b):
a) Erziehung trifft sinnvoll auf den Menschen, der keineswegs eindeutig ist, was
er ist. Es kommt darauf an, wie er von Jugend auf geprägt wird. Nicht allein eine nach-
weisbare unveränderliche Bestimmtheit der Anlage entscheidet, sondern von vorn-
herein nicht übersehbare Möglichkeiten, mit deren Verwirklichung immer zugleich
andere Möglichkeiten vernichtet werden. Ein Geist des Hauses, der Anstalt, der Ge-
meinschaft, der Öffentlichkeit formt durch die Weisen des darin gewohnten und von
selber sich aufzwingenden Benehmens und Sprechens, der unwillkürlich anerkann-
ten Symbole und Worte, durch Ansprüche und Formen. Nach dem Erscheinungsbild
einer Menschengruppe zu urteilen, was diese Menschen ihrem Wesen nach seien, ist
immer ungerecht, wenn man nicht die ihnen zuteil gewordene und täglich zuteilwer-
dende Erziehung vergegenwärtigt. Man müßte sehen, was aus ihnen unter einer an-
deren Erziehung würde, um weiter zu erfahren und doch nie endgültig zu wissen, was
sie sein können. Der Mut zur Erziehung beruht auf dem Vertrauen in schlummernde
Möglichkeiten.
b) Kein Mensch kann von sich wissen, was er ist und wozu er fähig ist. Er muß es ver-
suchen. Nur der Ernst des Entschlusses, | für den das Gewissen nur im einzelnen Selbst
spricht, und für den kein Urteil von außen die Verantwortung übernehmen darf, ent-
scheidet über den zu versuchenden Weg. Was durch Arbeit und inneres Handeln120 aus
mir werden kann, kann ich nicht vorher wissen.403 Wer in die Lage gekommen ist, zu
studieren, soll sich als berufen betrachten, denn man soll in jeder Lage tun, was in die-
ser Lage geschehen muß. Wer einmal in die Situation gestellt ist, geistig werden zu dür-
fen, der soll daraus keinerlei Anspruch nach außen, aber Verpflichtung für sich herleiten.
Alles in allem: Die Menschen sind nicht feststehende Artungen, die unveränder-
lich wie Tiere sei es zu verwenden sei es nicht zu brauchen sind, sondern sie bleiben
im Werden als je so Gewordene voll verborgener Möglichkeiten.
b) Begabung und Chance
In aller Gesellschaft gibt es Unterschiede der materiellen Wohlfahrt, gibt es vor allem
den Unterschied der Über- und Untergeordneten. Das Ideal ist, daß die hervorragend-
sten Menschen auch die Führenden sind, daß die Hierarchie der gesellschaftlichen
Ordnung zusammenfällt mit der Hierarchie der persönlichen Unterschiede an ethi-
schem Rang. Es ist das Ideal, das von Plato formuliert wurde, nach dem die staatlichen
Verhältnisse erst besser werden würden, wenn die Philosophen Staatslenker oder die
Staatslenker Philosophen würden.50
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