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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0431
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Die Idee der Universität. Für die gegenwärtige Situation entworfen [1961]

es ist Quelle aller geistigen Bewegung. Wir leben von dem, was das Genie uns geschaf-
fen hat und von der Umsetzung des genialen Werks in das allgemeine Wissen und Auf-
130 fassen. Unsere höchste Achtung | gilt dem Genie, selbst wenn es verkommt. An uns ist
die Forderung, das Ursprüngliche, Geniale zu spüren, es sichtbar zu machen und zur
Geltung zu bringen. Darauf kann sich der Wille richten, auf diese Arbeit der Aneig-
nung. Wenn auch der Unterschied zwischen dem Genie und uns außerordentlich ist,
so ist doch das Geniale oder das Ursprüngliche momentweise in jedem Menschen -
zumal in der Jugend; - nur dadurch kann uns das Genie angehen, weil wir irgendwo
auch von seiner Art sind. Es ist ein absoluter Unterschied zwischen dem Genialen und
allem andern, das nur Begabung ist und guter Wille. Aber niemand ist ganz und gar
Genius, sondern doch nur ein genialer Mensch. Es brennt mehr oder weniger dieses
Feuer im Menschen, kein Mensch ist ein Gott. Aber der Unterschied ist im Grad so un-
geheuer, daß wir einen Grund haben, unsere Distanz zum Genie auch qualitativ zu
fühlen; der entscheidende Unterschied zwischen Menschen ist, ob dieser Dämon ihr
Leben beherrscht oder die Regel der gesellschaftlichen, beruflichen, ethischen Ord-
nungen allein und an erster Stelle.
Diese Unterscheidungen zwischen den Voraussetzungen der Begabung, der eigent-
lichen Intelligenz, der Geistigkeit, dem Schöpferischen haben den Mangel, die Bega-
bung im ganzen als ein jeweils Soseiendes257 aufzufassen.
Erstens aber sind Charakter und Wesen, die in der Begabung sich zeigen, nicht ge-
genständlich faßlich, sondern sind das Menschsein, das nur nach einer Seite hin psy-
chologisch objektivierbar und damit erforschbar wird, nach der andern Seite aber nur
transzendental formuliert werden kann als das Umgreifende, die Idee. Auslese durch
psycho-technische Prüfungen trifft Äußerlichkeiten oder Werkzeuge. Für das Umgrei-
fende gibt es keine objektiven Merkmale.
Zweitens ist kein Mensch endgültig das, als was er bis dahin in seiner Erscheinung
sich zeigt. Wie ein Volk ein ganz anderes Gesicht aufweisen kann, wenn gegenüber
den bisherigen neue Menschentypen aus ihm zur öffentlichen Geltung kommen, die
vorher verborgen und dienend blieben, so kann derselbe Mensch ein völlig verschie-
denes Charakterbild geben, wenn veränderte Redeweise und Gebärde durch Umge-
bung und Erziehung andere Elemente aus ihm zutage fördern. Jede Verwirklichung
131 des Menschseins ist eine Teilverwirklichung des in | ihm Möglichen, eine Verschie-
bung zugunsten einzelner Möglichkeiten.
Drittens liegt im Menschen der Ursprung seines Entschlusses.131 Er entscheidet ir-
gendwo über sich selbst. Das schreckliche Wort »ich bin nun einmal so« ist das Mittel
des Ausweichens vor seiner Freiheit.
Trotzdem gibt es einen breiten Bestand des unüberwindbaren, jeweils nur zu über-
nehmenden Soseienden im Menschen. Aber man muß vorsichtig sein mit der Behaup-
tung endgültiger Charakteranlagen oder Begabungen, die biologisch vererbbar sind.
Ich zweifle nicht daran, daß diese bestehen und in der Tiefe des Geschehens eine we-
 
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