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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Editor]; Schwabe AG [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0443
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368

Die Idee der Universität. Für die gegenwärtige Situation entworfen [1961]

ehe Unbedingtheit des Geistes abgelehnt. Ein geheimes Bekenntnis ist: ein großer
Mann ist ein öffentliches Unglück,268 - das öffentliche Bekenntnis: wir brauchen Per-
sönlichkeiten. Man will ein normales Format an Tüchtigkeit. Das Minderwertige fällt
als unbrauchbar, der Größere wird stillschweigend ausgeschaltet. Wie also soll ein so-
zialer Körper, der von Majoritäten regiert wird, das Dasein der Wenigen wünschen,
welche ursprünglich wissen wollen, und sie auf die Dauer auch nur zulassen?
Im Mittelalter gab es den Vertretungsgedanken: der Denker kontemplierte die Gott-
heit zugleich in Vertretung der Übrigen, deren Beruf sie zu anderen Tätigkeiten anhielt.
Dieser Gedanke wäre wohl heutigen Massen fremd. Heute könnte vielleicht so gedacht
werden: Sofern noch geglaubt wird, daß Wissenschaft etwas sei, was sein solle (und
wenigstens als Wissenschaftsaberglaube ist dieser Gedanke fast allgemein), so muß sie
147 im sozialen | Körper einen Platz haben, wo sie unabhängig von augenblicklicher An-
wendbarkeit frei auf alle Gefahr hin ihre Wege versucht. Es ist eine Schicksalsfrage der
Menschheit, ob mit solcher Begründung der soziale Körper in seinem sonst unerbitt-
lichen Aufsaugungsdrang allen Daseins in seine Massenfunktionen, ob dieser Levia-
than sich an einzelnen Stellen, so in der Frage der Wissenschaft, selbst einschränke,
um einen Platz freizuhalten, damit an ihm geschehe, was er zwar nicht übersieht, aber
von dem er am Ende auch Nutzen für sich selbst erwartet.

c) Die Verwandlung der Universität mit Staat und Gesellschaft
Der Staat gibt die Rechte und die Mittel für das Universitätsleben einmal zu For-
schungszwecken, damit ein für alle stellvertretendes, kontemplatives Erkennen statt-
finde, dann aber, damit Berufe der Gesellschaft hier ihre geistige Nahrung, ihre Bil-
dung und Erziehung und die wissenschaftlichen Erkenntnisse finden, die sie praktisch
brauchen. So dient die Universität jederzeit dem Staat und der Gesellschaft, die sie
schützen. Daher wandelt sich ihre Erscheinung mit den Wandlungen der Gesellschaft
und der Berufe.
Im Mittelalter mußten die Kleriker ausgebildet werden, später die Staatsbeamten,
die Ärzte und Lehrer. Die technische Rationalisierung seit dem 17. Jahrhundert ver-
langte spezialistische Fachausbildung mit dem Ziel des Erwerbes eines nützlichen Kön-
nens und einer Routine, während früher Gotteserkenntnis, Theologie und Philosophie
alles beherrschten. Das aus soziologischen Gründen unausweichliche Frauenstu-
dium101 gab zuletzt der Universität eine neue Farbe. Die Zahl der zum Universitätsstu-
dium drängenden Berufe wuchs im letzten halben Jahrhundert ständig. Unmerklich
hat sich die Gestalt der Universität im 19. Jahrhundert bis zum ersten Weltkrieg und
noch stärker nach ihm gewandelt allein durch Vervielfachung der Frequenz.404
Im Mittelalter bestanden die Universitäten als durch Stiftungen begründete, durch
Papst oder Kaiser autorisierte Korporationen manchmal von europäischer Geltung.
148 Dann sanken sie in die Enge des Territorialstaats, der seine Landeskinder hier zu | ge-
sinnungstüchtigen Beamten prägte. Erst mit dem 18. Jahrhundert gewann die Univer-
 
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