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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Editor]; Schwabe AG [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0494
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Die Idee der Universität. Für die gegenwärtige Situation entworfen [1961]

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Universität des vorigen Jahrhunderts noch ungefähr gleich stark wie die der Dozenten
war, entfallen davon 19,6 Prozent und auf die Gruppe der Dozenten (apl. Professoren
und sämtliche anderen Dozentenkategorien) 26,9 Prozent. Die Gruppe der nichtha-
bilitierten wissenschaftlichen Kräfte beläuft sich auf insgesamt 53,5 Prozent, davon
die Gruppe der Lektoren und Lehrbeauftragten (mit Honorarprofessoren) auf 18,7 Pro-
zent und die der wissenschaftlichen Assistenten auf 34,8 Prozent. (Die dieser Gruppie-
rung zugrundeliegenden absoluten Zahlen sind | der Untersuchung von A. Busch: »Die 218
Geschichte des Privatdozenten«, Stuttgart, 1959, S. 76 f., entnommen.)
Dieses Zahlenbild indiziert zunächst den unklaren Betriebscharakter der gegenwär-
tigen Universität. Die nicht zum Lehrkörper gehörenden wissenschaftlichen Kräfte bil-
den die stärkste Gruppe. Da jedoch ein beträchtlicher Teil der Dozenten mit Assisten-
tenpflichten belastet ist, ist der wirkliche Prozentsatz dieser Gruppe noch weit höher
anzusetzen. Es ist aber vornehmlich das Festhalten an der traditionellen Zunfthierar-
chie des Lehrkörpers, das sowohl der Vermehrung der Lehrstühle und Dozentenstellen
entgegensteht, wie zugleich auch diese Detachierung wichtiger Forschungs- und Lehr-
aufgaben an nicht zum eigentlichen Lehrkörper gehörige wissenschaftliche Hilfskräfte
begünstigt. Der Vermehrung der Zahl der Studierenden während des letzten Jahrzehnts
um mehr als das Doppelte steht eine Vermehrung der Lehrstuhlinhaber und Dozenten
um kaum ein Drittel gegenüber. Der mit ihm nicht zukommenden Aufgaben belastete
Apparat der wissenschaftlichen Hilfskräfte dagegen erweiterte sich, wenn auch unor-
ganisch und ebenfalls der Zahl nach unzulänglich, ständig. Durch sein Übergewicht
aber wurde noch mehr jener dem Wesen der Forschung und Lehre abträgliche Funk-
tionalismus begünstigt, der mit seinem komplizierten System von Weisungsrechten
und Weisungspflichten auch auf den geistigen Charakter des Lehrkörpers, diesen zu-
gleich seinen eigentlichen Aufgaben entfremdend, übergegriffen hat. Das autoritäre
Zunftprinzip zusammen mit dem Prinzip dieses bürokratischen Funktionalismus wir-
ken lähmend auf den Geist der Wissenschaft selber und bedrohen die Grundvorausset-
zungen der Universität: die Freiheit und die Einheit von Forschung und Lehre.
Gegenüber dem Massenandrang zum Universitätsstudium während des letzten
Jahrzehnts erwies sich die völlige Unzulänglichkeit dieser doppelseitigen Organisa-
tionsform. Im Blick auf das Problem der Bewältigung des Massenandrangs zur Uni-
versität, das jedoch ein Problem ganz anderer und eigener Art ist, lenkte sich das Re-
forminteresse dann auf die betriebstechnische Verbesserung dieser bestehenden
Unzulänglichkeiten. Eben hierüber wurde die Neugliederung des Lehrkörpers nach
Funktionsgruppen in den Vordergrund gestellt, | wobei die Reformvorschläge betriebs- 219
technischen Kriterien zur Verbesserung des der Universität als Universität gar nicht
zugehörigen Unterrichtswesens unterstellt wurden.
So wurde in der Denkschrift des Hofgeismarer Kreises unter der Parallelschaltung
von Forschung und Lehre einerseits und Unterricht und Berufsausbildung anderer-
seits folgende Neugliederung des Lehrkörpers nach Funktionen vorgeschlagen: 1. ein
 
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