Die Idee der Universität. Für die gegenwärtige Situation entworfen [1961]
429
a) Das Instituts- und Klinikwesen
Das Instituts- und Klinikwesen hat sich gleichsam neben der Strukturgestalt der tradi-
tionellen Bildungsuniversität, deren ihm zu enge Formen sprengend, entwickelt. Diese
Entwicklung vollzog sich auf eine sehr sprunghafte und unkontrollierte Weise | und 232
führte zu einer weitgehenden Isolierung der dem Ganzen der Universität lediglich
durch die Personalunion von Lehrstuhlinhaber und Instituts- und Klinikdirektor ver-
bundenen Institute und Kliniken.
Die Organisationsform der Institute und Kliniken hat sich nicht nur zufällig und
willkürlich gebildet, sondern besitzt auch keinen ihrer Verbundenheit mit der Univer-
sität Ausdruck gebenden und ihren Aufgaben als Universitätsanstalten angemessenen
eigenen Verfassungs- und Rechtscharakter. Sie richtet sich vielmehr allein nach den
allgemeinen, auf die Besonderheit von Forschungs- und Lehrstätten gar nicht Rück-
sicht nehmenden Verwaltungsvorschriften des Staates für Betriebe des öffentlichen
Dienstes überhaupt. Darüber kam es zu jener, verwaltungsbürokratische und wissen-
schaftliche Prinzipien und Erfordernisse vermischenden und deshalb im Grunde will-
kürlichen Institutsautokratie, die zumal auf das Verhältnis von Lehrstuhlinhabern
als Instituts- und Klinikdirektoren und den ihnen als Instituts- oder Klinikzugehöri-
gen weisungsgebundenen Dozenten sich so verhängnisvoll ausgewirkt hat. Die ver-
waltungsamtliche Autorität des Lehrstuhlinhabers als Instituts- oder Klinikchefs, wie
auch immer ausgeübt, hat den Berufscharakter des Universitätslehrers, des Lehrstuhl-
inhabers selber wie des Dozenten, weitgehend entstellt und verdorben. Auch die dem
Geist der Wissenschaftlichkeit am meisten abträglichen Prinzipien von Macht und
Geld haben darüber in das selbstmächtig gewordene Instituts- und Klinikwesen Ein-
gang gefunden.
Solange Institute und Kliniken noch übersichtlich waren, bestand die Personal-
union von Lehrstuhlinhaber und Instituts- oder Klinikdirektor zu gewissem Recht. Ge-
genüber den großbetrieblichen Instituten und Kliniken, deren die Forschung heute
bedarf, aber versagt sie. Seit langem besteht, entgegen Humboldts vorsichtiger Bestim-
mung der Institute als Hilfsinstitute, die Gewohnheit, die Berufung auf einen Lehr-
stuhl mit der Direktion eines Institutes oder einer Klinik zu verbinden. Beide Ämter
sind darüber nicht nur nahezu identisch geworden, sondern dem Direktorenamt wird
zumeist auch das größere Gewicht beigemessen. An dieser zum ungeschriebenen Ge-
setz gewordenen Gewohnheit scheitert heute häufig die durch | die Erweiterung der 233
Forschungsbereiche notwendig werdende Einrichtung von Parallellehrstühlen, wobei
eben in manchen Disziplinen sowohl Macht- wie Geldinteressen eine nicht zu unter-
schätzende Rolle spielen.
Der Lehrstuhlinhaber als Direktor eines großen Institutes oder einer großen Klinik,
deren sowohl Wissenschafts- wie verwaltungsorganisatorische Leitung ihm allein über-
tragen ist, gerät auch bei bestem Willen zum Widerstehen zu leicht nur in Gefahr, sein
Institut oder seine Klinik nicht mehr primär als Forschungs- und Lehrstätte der Uni-
429
a) Das Instituts- und Klinikwesen
Das Instituts- und Klinikwesen hat sich gleichsam neben der Strukturgestalt der tradi-
tionellen Bildungsuniversität, deren ihm zu enge Formen sprengend, entwickelt. Diese
Entwicklung vollzog sich auf eine sehr sprunghafte und unkontrollierte Weise | und 232
führte zu einer weitgehenden Isolierung der dem Ganzen der Universität lediglich
durch die Personalunion von Lehrstuhlinhaber und Instituts- und Klinikdirektor ver-
bundenen Institute und Kliniken.
Die Organisationsform der Institute und Kliniken hat sich nicht nur zufällig und
willkürlich gebildet, sondern besitzt auch keinen ihrer Verbundenheit mit der Univer-
sität Ausdruck gebenden und ihren Aufgaben als Universitätsanstalten angemessenen
eigenen Verfassungs- und Rechtscharakter. Sie richtet sich vielmehr allein nach den
allgemeinen, auf die Besonderheit von Forschungs- und Lehrstätten gar nicht Rück-
sicht nehmenden Verwaltungsvorschriften des Staates für Betriebe des öffentlichen
Dienstes überhaupt. Darüber kam es zu jener, verwaltungsbürokratische und wissen-
schaftliche Prinzipien und Erfordernisse vermischenden und deshalb im Grunde will-
kürlichen Institutsautokratie, die zumal auf das Verhältnis von Lehrstuhlinhabern
als Instituts- und Klinikdirektoren und den ihnen als Instituts- oder Klinikzugehöri-
gen weisungsgebundenen Dozenten sich so verhängnisvoll ausgewirkt hat. Die ver-
waltungsamtliche Autorität des Lehrstuhlinhabers als Instituts- oder Klinikchefs, wie
auch immer ausgeübt, hat den Berufscharakter des Universitätslehrers, des Lehrstuhl-
inhabers selber wie des Dozenten, weitgehend entstellt und verdorben. Auch die dem
Geist der Wissenschaftlichkeit am meisten abträglichen Prinzipien von Macht und
Geld haben darüber in das selbstmächtig gewordene Instituts- und Klinikwesen Ein-
gang gefunden.
Solange Institute und Kliniken noch übersichtlich waren, bestand die Personal-
union von Lehrstuhlinhaber und Instituts- oder Klinikdirektor zu gewissem Recht. Ge-
genüber den großbetrieblichen Instituten und Kliniken, deren die Forschung heute
bedarf, aber versagt sie. Seit langem besteht, entgegen Humboldts vorsichtiger Bestim-
mung der Institute als Hilfsinstitute, die Gewohnheit, die Berufung auf einen Lehr-
stuhl mit der Direktion eines Institutes oder einer Klinik zu verbinden. Beide Ämter
sind darüber nicht nur nahezu identisch geworden, sondern dem Direktorenamt wird
zumeist auch das größere Gewicht beigemessen. An dieser zum ungeschriebenen Ge-
setz gewordenen Gewohnheit scheitert heute häufig die durch | die Erweiterung der 233
Forschungsbereiche notwendig werdende Einrichtung von Parallellehrstühlen, wobei
eben in manchen Disziplinen sowohl Macht- wie Geldinteressen eine nicht zu unter-
schätzende Rolle spielen.
Der Lehrstuhlinhaber als Direktor eines großen Institutes oder einer großen Klinik,
deren sowohl Wissenschafts- wie verwaltungsorganisatorische Leitung ihm allein über-
tragen ist, gerät auch bei bestem Willen zum Widerstehen zu leicht nur in Gefahr, sein
Institut oder seine Klinik nicht mehr primär als Forschungs- und Lehrstätte der Uni-