Stefan Maul
genüber, die die Billigung eines Vorhabens durch ein divinatorisches Gutachten
mit sich bringt. Findet ein solches hinreichende Akzeptanz, darf dessen Wirkung
nicht unterschätzt werden. Denn unter der Maßgabe, dass das Verfahren selbst als
plausibel wahrgenommen wird, konnte eine divinatorische Evaluation politisches
Wollen und Handeln überzeugend rechtfertigen, indem sie dieses als im Einklang
mit dem Kosmos und in der Gunst der göttlichen Mächte stehend auswies. Gött-
liches Wohlwollen und sich daraus ergebende Erfolge waren dadurch greifbar in
Aussicht gestellt. Gelang es, mittels eines divinatorischen Befundes das von Vielen
getragene Bewusstsein des „Gott mit uns“ und damit einen Konsens zu schaffen,
konnte dies auf allen wichtigen gesellschaftlichen Ebenen zu Optimismus und
Selbstsicherheit, Entschlusskraft und Handlungsbereitschaft führen, die ihrerseits
eine tragfähige Grundlage bilden für ein beherztes Angehen von sich abzeichnen-
den Problemen.
3. Im Fall eines durch Zeichen ermittelten deutlich negativen Evaluationsbe-
scheides, galt es einen als „unerwünscht“ eingestuften Plan zu überdenken. Hier-
durch entstanden Möglichkeit und Notwendigkeit, in den Gremien politischer
Entscheidungsfindung trotz eines bereits gefassten Beschlusses Für und Wider
erneut zu diskutieren. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass dabei Positionen, die
zuvor nicht konsensfähig gewesen waren, abermals erörtert wurden, und dann
Gegenstand einer erneuten Orakelanfrage wurden. Die uns erhaltenen, mit einer
Eingeweideschau verbundenen Anfragen sind oft regelrechte Kunstwerke, die ein
Vorhaben mit detaillierter Auflistung der einzelnen Schritte benennt. Wurde dieses
abschlägig beschieden, hieß das nicht, dass die gesamten Planungen aufgegeben
werden mussten. Es bestand die Möglichkeit, einen leicht modifizierten Plan der
erneuten Prüfung zu unterziehen. Wurde dieser dann positiv evaluiert, ergab sich
daraus, dass das Detail des Plans, das man in der zweiten Anfrage geändert hatte,
Grund der Ablehnung gewesen war. Es ergibt sich aus diesem Vorgehen fast not-
wendigerweise, dass diejenigen Segmente eines Vorhabens in einer zweiten Anfra-
ge modifiziert wurden, die bei der Ausarbeitung des Plans diskutiert worden aber
nicht konsensfähig gewesen waren. Die divinatorische Evaluation, die durch ihr
Wesen eine über den Entscheidungsträgern stehende Autorität generiert, eröffnet
so auch einen Raum für sachbezogene Diskussionen, der weitgehend frei von den
Zwängen hierarchischer Strukturen ist. Angesichts der stark hierarchisch organi-
sierten Gesellschaft der mesopotamischen Reiche, kommt diesem Umstand eine
besonders große Bedeutung zu.
4. Im theistischen Weltbild Mesopotamiens ist eine durch Divination ermit-
telte Wertung von Plänen und Vorhaben zusätzlich in einen Tun-Ergehen-Zu-
sammenhang gestellt, der Zustimmung und Ablehnung von Vorhaben als ein sich
abzeichnendes Lohnen und Strafen durch über dem Menschen stehende Mächte
deutet. Es ergibt sich daraus eine zweifache Verantwortlichkeit der Regierenden,
die sich nicht nur Menschen gegenüber, sondern auch den über ihnen stehenden
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genüber, die die Billigung eines Vorhabens durch ein divinatorisches Gutachten
mit sich bringt. Findet ein solches hinreichende Akzeptanz, darf dessen Wirkung
nicht unterschätzt werden. Denn unter der Maßgabe, dass das Verfahren selbst als
plausibel wahrgenommen wird, konnte eine divinatorische Evaluation politisches
Wollen und Handeln überzeugend rechtfertigen, indem sie dieses als im Einklang
mit dem Kosmos und in der Gunst der göttlichen Mächte stehend auswies. Gött-
liches Wohlwollen und sich daraus ergebende Erfolge waren dadurch greifbar in
Aussicht gestellt. Gelang es, mittels eines divinatorischen Befundes das von Vielen
getragene Bewusstsein des „Gott mit uns“ und damit einen Konsens zu schaffen,
konnte dies auf allen wichtigen gesellschaftlichen Ebenen zu Optimismus und
Selbstsicherheit, Entschlusskraft und Handlungsbereitschaft führen, die ihrerseits
eine tragfähige Grundlage bilden für ein beherztes Angehen von sich abzeichnen-
den Problemen.
3. Im Fall eines durch Zeichen ermittelten deutlich negativen Evaluationsbe-
scheides, galt es einen als „unerwünscht“ eingestuften Plan zu überdenken. Hier-
durch entstanden Möglichkeit und Notwendigkeit, in den Gremien politischer
Entscheidungsfindung trotz eines bereits gefassten Beschlusses Für und Wider
erneut zu diskutieren. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass dabei Positionen, die
zuvor nicht konsensfähig gewesen waren, abermals erörtert wurden, und dann
Gegenstand einer erneuten Orakelanfrage wurden. Die uns erhaltenen, mit einer
Eingeweideschau verbundenen Anfragen sind oft regelrechte Kunstwerke, die ein
Vorhaben mit detaillierter Auflistung der einzelnen Schritte benennt. Wurde dieses
abschlägig beschieden, hieß das nicht, dass die gesamten Planungen aufgegeben
werden mussten. Es bestand die Möglichkeit, einen leicht modifizierten Plan der
erneuten Prüfung zu unterziehen. Wurde dieser dann positiv evaluiert, ergab sich
daraus, dass das Detail des Plans, das man in der zweiten Anfrage geändert hatte,
Grund der Ablehnung gewesen war. Es ergibt sich aus diesem Vorgehen fast not-
wendigerweise, dass diejenigen Segmente eines Vorhabens in einer zweiten Anfra-
ge modifiziert wurden, die bei der Ausarbeitung des Plans diskutiert worden aber
nicht konsensfähig gewesen waren. Die divinatorische Evaluation, die durch ihr
Wesen eine über den Entscheidungsträgern stehende Autorität generiert, eröffnet
so auch einen Raum für sachbezogene Diskussionen, der weitgehend frei von den
Zwängen hierarchischer Strukturen ist. Angesichts der stark hierarchisch organi-
sierten Gesellschaft der mesopotamischen Reiche, kommt diesem Umstand eine
besonders große Bedeutung zu.
4. Im theistischen Weltbild Mesopotamiens ist eine durch Divination ermit-
telte Wertung von Plänen und Vorhaben zusätzlich in einen Tun-Ergehen-Zu-
sammenhang gestellt, der Zustimmung und Ablehnung von Vorhaben als ein sich
abzeichnendes Lohnen und Strafen durch über dem Menschen stehende Mächte
deutet. Es ergibt sich daraus eine zweifache Verantwortlichkeit der Regierenden,
die sich nicht nur Menschen gegenüber, sondern auch den über ihnen stehenden
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