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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2015 — 2016

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A. Das akademische Jahr 2015
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II. Wissenschaftliche Vorträge
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Mittler, Barbara: Bezaubernde Berührung – Visuelles Gedächtnis in Chinas populären Medien, 1900 – 2000
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https://doi.org/10.11588/diglit.55653#0064
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II. Wissenschaftliche Vorträge

„Subversion“ auch zulässt und also zulässt, neue Versionen von Intimität und
Zärtlichkeit darzustellen und auszutesten. Die bleibende Dominanz des zurück-
haltenden glücklichen Paars jedoch, ist immer noch ein Indiz dass eine Politik
der Zärtlichkeit noch einige Zeit eine Politik der Zurückhaltung bleiben wird.
Epilog: Von der Macht der Bilder
Bilder sind nie unschuldig.8 Auch Bilder wollen etwas,9 sie sind nicht einfach Evi-
denz für materiale, historische Realitätens. Visual mindmaps können helfen, uns die
Ausstattung oder gar der Inneneinrichtung eines historischen Gemüts näherzu-
bringen, sie können erklären, warum bestimmte Wandlungsprozesse stattgefunden
haben, die von solchen historischen Gemütern getrieben wurden. Genau wie die
Tuhua ribao vorhergesagt hat, so ist das, was dort als Zukunftsvision gezeigt wird,
einige Jahrzehnte später Realität geworden und zwar nicht nur in den Städten son-
dern selbst in den kleinsten Dürfen Chinas, und man könnte argumentieren, dass
das so ist, weil solche ikonischen Bilder sich als Möglichkeiten in das kulturelle
Gedächtnis eingeschrieben hat. Bestimmte Tropen in den visual mindmaps über die
Jahre, wie das gleichberechtigte, aber auch das keusche, das zurückhaltende, aber
auch das zärtliche Paar, die in unterschiedlichen Medien mit unterschiedlichen
„Wahrheitsansprüchen“ von der Karikatur und Werbung zur Fotografie erschei-
nen, eröffnen die Möglichkeit des make-belief und können so historische Realitäten
schaffen.
Was wird mit den neuen visual mindmaps des 21. Jahrhunderts geschehen, auch
jenen, die über die Franchines Magazines ihren Einzug halten, werden sie in ih-
rer zum Teil überraschenden Direktheit in der Lage sein chinesische Realitäten
zu verändern? Oder werden sie in dem großen See der dominanten gezähmten
Bildlichkeiten als Außenseiter untergehen? Auch wenn die Bilder von attraktiven
Frauen (und Männern!) auf den Werbeseiten nicht nur der Franchise Magazines
zur Zeit wohl eher noch Träume und Ängste verkörpern, mag es bald Umstände
geben, unter denen sie gelebte Gegenwart werden könnten.
Betrachtet man also die visual mindmaps die seit etwa 100 Jahren die popu-
lären Printmedien in China bestimmten, so wird klar, dass Bilder in der Tat, die
chinesische Geschichte mitbestimmen. Die Tatsache dass das keusche Paar als ein
wichtiges und dominantes Motiv auf den Seiten chinesischer populärer Medien
auch jenseits der Grenze von 1949 erhalten bleibt, während die Reize imaginierter
Berührung und Zärtlichkeit immer deutlicher sichtbar werden können, obwohl
klar erkannt wird, dass diese mit „Gefahren“ (siehe Sappho) verbunden sind, ist

8 Gillian Rose, Visual Methodologies: An Introduction to die Interpretation of Visual Materials (London:
Sage Publication Ltd, 2007), 26.
9 Vgl. W.J. T. Mitchell, What Do Pictures Want? The Lines and Lomes of Images (Chicago: University of
Chicago Press, 2005).

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