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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2015 — 2016

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A. Das akademische Jahr 2015
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III. Veranstaltungen
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Mitarbeitervortragsreihe „Wir forschen. Für Sie“
DOI Artikel:
Müller, Jörg R.: Verbotene Früchte: sexuelle Beziehungen zwischen Christen und Juden
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https://doi.org/10.11588/diglit.55653#0103
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Mitarbeitervortragsreihe „Wir forschen. Für Sie'

die Hinrichtung der beiden Sexualpartner, sofern sie in flagranti ertappt wur-
den beschränkte sich die kirchliche Legislative erstaunlicherweise zumeist auf
Geldbußen in Verbindung mit leichteren körperlichen Strafen. Dass den norma-
tiven Aufzeichnungen allerdings auch eine abschreckende Wirkung innewohn-
te, ergibt sich aus der praktischen Umsetzung, wie sie in Gerichtsbüchern und
Prozessprotokollen entgegentritt. Demnach lässt sich innerhalb des mittelalter-
lichen Reichsgebiets trotz zumeist rigider Gesetzgebung keine Vollstreckung
der Todesstrafe gegenüber einem Juden wegen sexueller Beziehungen zu einer
Christin nachweisen.
In den - nicht zufällig - aktenkundig gewordenen Fällen sexueller Kontakte
zwischen Christen und Juden handelte es sich fast immer um männliche, zumeist
finanziell gut situierte Juden, die mit christlichen Frauen intim verkehrten. Die
zumeist am Ort des zuständigen Gerichts ansässigen Juden wurden zu biswei-
len sehr hohen Geldstrafen verurteilt und mitunter - zumeist zeitlich befristet
- aus der Stadt ausgewiesen. Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielten auch
einflussreiche christliche Fürsprecher, auf deren Verwendung hin das Strafmaß
gegenüber den angeklagten Juden verringert wurde. Zuweilen führte die Finanz-
kraft einzelner Juden nicht bloß zu Missgunst, sondern sogar zu Erpressungen
von Juden unter der frei erfundenen Anschuldigung, sie hätten geschlechtliche
Beziehungen zu einer Christin gepflegt.
Gegenüber ortsansässigen finanzkräftigen Juden wurden auswärtige Vertre-
ter des jüdischen Glaubens, die nicht über finanzielle Mittel verfügten, häufig
mit körperlichen Strafen bedacht, wobei offenbar neben der fehlenden Kapital-
kraft auch der Umstand, ob es sich bei der christlichen Sexualpartnerin um eine
Einheimische oder eine Auswärtige handelte, bei der Bemessung des Strafmaßes
Berücksichtigung fand. Die mit den Juden verkehrenden Christinnen gehörten in
der Regel sozial niedriger gestellten Gruppen an (häufig Mägde und Prostituier-
te). Da diese durch ihr sittenwidriges Verhalten die gesamte christliche Gemeinde
in Verruf gebracht hatten, wurden sie zumeist mit Verbannung belegt. Hinzu kam
oft noch eine demütigende Zurschaustellung, mitunter in Verbindung mit leich-
teren Körperstrafen.
Als Motiv für den Geschlechtsverkehr gaben die Frauen häufig an, für ihre
Liebesdienste bezahlt worden zu sein oder einen Schuldennachlass bzw. -aufschub
bekommen zu haben, so dass zumeist keine längerfristige Beziehung aufgebaut
wurde. Es sind aber auch Fälle überliefert, in denen es zu langjährigen mehr oder
weniger heimlichen Beziehungen zwischen jüdischen Männern und christlichen
Frauen kam, aus denen mitunter auch Kinder hervorgingen.
Die Auswertung zahlreicher Quellen ergab auch, dass sowohl auf christlicher
als auch auf jüdischer Seite Männer für den Beischlaf mit einer Angehörigen der
jeweils anderen Religionsgemeinschaft offenbar milder bestraft wurden als Frau-
en. So scheinen Juden, die mit Christinnen intim verkehrten, von der jüdischen

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