Antrittsrede von Marcella Rietschel
nun eine medizinische Ausbildung als Basis für mein Ziel - den Menschen besser
verstehen zu lernen - als noch geeigneter.
Für meine Famulatur und für die Datenerhebung meiner Doktorarbeit ging
ich nach Sierra Leone. Diese Doktorarbeit wurde von Herrn Prof. Slenczka, der
1967 mit Kollegen am Hygiene Institut in Marburg das Marburg Virus entdeckt
hatte, betreut und hatte das Ziel herauszufmden, ob Marburg und Ebola Viren
auch in Sierra Leone vorkommen.
In meiner Arbeit, die bereits 1984 teilweise vorab veröffentlicht wurde, konn-
te ich nachweisen, dass das Ebola Virus in Sierra Leone vorkommt. Ich diskutierte
die Gefahr eines länder- und kontinentüberschreitenden Ausbruches und wies auf
das Problem hin, dass die dort lebenden Menschen sich nicht um in der Zukunft
liegende Gefahren kümmern wollen oder können, solange ihre Kinder noch an
Masern sterben, Situationen, die ich selbst miterlebt hatte.
Die dort gemachten Erfahrungen bewirkten, dass ich zukünftig im Entwick-
lungsdienst arbeiten wollte. Da chirurgische Kenntnisse hierfür von Nöten waren,
begann ich nach meiner Approbation 1984 in Marburg in der Chirurgie des Uni-
versitätsklinikums zu arbeiten.
Allerdings sollte sich meine anvisierte Tätigkeit im Entwicklungsdienst letzt-
endlich auf einen sechswöchigen Einsatz im Slum von Cali, Kolumbien mit den
Ärzten für die Dritte Welt (heute German Doctors) im Jahre 1987 beschränken.
Die Geburt meiner drei Kinder und der frühe Tod meiner Tochter an einer Infek-
tionskrankheit haben mich umdenken und meinen früheren Wunsch, als Psychia-
terin tätig zu werden, wieder aufleben lassen.
Als Medizinerin in diesen Zeiten eine Anstellung zu finden, war jedoch nicht
einfach. Eine 80 Stundenwochenarbeitszeit war damals nicht ungewöhnlich und
Halbtagsstellen gab es kaum. Als Mutter ganztags arbeiten zu wollen, stieß bei
vielen Chefs auf Argwohn, da sie eine verminderte Leistung und Arbeitsausfälle,
wegen der Kinderbetreuung und der zu erwartenden Kinderkrankheiten befürch-
teten. Zudem war den meisten von ihnen eine Frau suspekt, die bereit war, ihre
Kinder für die Arbeit zu vernachlässigen bzw. in fremde Obhut zu geben.
Ich schrieb nicht nur Bewerbungen, sondern reiste Kliniken auch direkt an
und überzeugte Sekretärinnen, mich auch ohne Termin vorstellig werden zu las-
sen - und hatte Glück: Um in der Psychiatrie in Weinsberg eine Stelle zu be-
kommen, sollte ich zunächst zwei Jahre in der Humangenetik bei Herrn Prof.
Propping in Bonn arbeiten.
Herr Prof. Propping hatte schon frühzeitig die Weitsicht, dass die psychia-
trisch genetische Forschung der biologischen Psychiatrie zu einem Durchbruch
verhelfen würde, und er war der Meinung, dass der Missbrauch in unserer Ge-
schichte nicht dazu führen dürfte, diese Forschung zu vernachlässigen.
Ich begann 1988 bei Herrn Prof. Propping zu arbeiten und daraus wurde eine
lebenslange Zusammenarbeit. Es war ein langer und mühevoller Weg, den ich oh-
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nun eine medizinische Ausbildung als Basis für mein Ziel - den Menschen besser
verstehen zu lernen - als noch geeigneter.
Für meine Famulatur und für die Datenerhebung meiner Doktorarbeit ging
ich nach Sierra Leone. Diese Doktorarbeit wurde von Herrn Prof. Slenczka, der
1967 mit Kollegen am Hygiene Institut in Marburg das Marburg Virus entdeckt
hatte, betreut und hatte das Ziel herauszufmden, ob Marburg und Ebola Viren
auch in Sierra Leone vorkommen.
In meiner Arbeit, die bereits 1984 teilweise vorab veröffentlicht wurde, konn-
te ich nachweisen, dass das Ebola Virus in Sierra Leone vorkommt. Ich diskutierte
die Gefahr eines länder- und kontinentüberschreitenden Ausbruches und wies auf
das Problem hin, dass die dort lebenden Menschen sich nicht um in der Zukunft
liegende Gefahren kümmern wollen oder können, solange ihre Kinder noch an
Masern sterben, Situationen, die ich selbst miterlebt hatte.
Die dort gemachten Erfahrungen bewirkten, dass ich zukünftig im Entwick-
lungsdienst arbeiten wollte. Da chirurgische Kenntnisse hierfür von Nöten waren,
begann ich nach meiner Approbation 1984 in Marburg in der Chirurgie des Uni-
versitätsklinikums zu arbeiten.
Allerdings sollte sich meine anvisierte Tätigkeit im Entwicklungsdienst letzt-
endlich auf einen sechswöchigen Einsatz im Slum von Cali, Kolumbien mit den
Ärzten für die Dritte Welt (heute German Doctors) im Jahre 1987 beschränken.
Die Geburt meiner drei Kinder und der frühe Tod meiner Tochter an einer Infek-
tionskrankheit haben mich umdenken und meinen früheren Wunsch, als Psychia-
terin tätig zu werden, wieder aufleben lassen.
Als Medizinerin in diesen Zeiten eine Anstellung zu finden, war jedoch nicht
einfach. Eine 80 Stundenwochenarbeitszeit war damals nicht ungewöhnlich und
Halbtagsstellen gab es kaum. Als Mutter ganztags arbeiten zu wollen, stieß bei
vielen Chefs auf Argwohn, da sie eine verminderte Leistung und Arbeitsausfälle,
wegen der Kinderbetreuung und der zu erwartenden Kinderkrankheiten befürch-
teten. Zudem war den meisten von ihnen eine Frau suspekt, die bereit war, ihre
Kinder für die Arbeit zu vernachlässigen bzw. in fremde Obhut zu geben.
Ich schrieb nicht nur Bewerbungen, sondern reiste Kliniken auch direkt an
und überzeugte Sekretärinnen, mich auch ohne Termin vorstellig werden zu las-
sen - und hatte Glück: Um in der Psychiatrie in Weinsberg eine Stelle zu be-
kommen, sollte ich zunächst zwei Jahre in der Humangenetik bei Herrn Prof.
Propping in Bonn arbeiten.
Herr Prof. Propping hatte schon frühzeitig die Weitsicht, dass die psychia-
trisch genetische Forschung der biologischen Psychiatrie zu einem Durchbruch
verhelfen würde, und er war der Meinung, dass der Missbrauch in unserer Ge-
schichte nicht dazu führen dürfte, diese Forschung zu vernachlässigen.
Ich begann 1988 bei Herrn Prof. Propping zu arbeiten und daraus wurde eine
lebenslange Zusammenarbeit. Es war ein langer und mühevoller Weg, den ich oh-
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