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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2015 — 2016

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D. Antrittsreden, Nachrufe, Organe und Mitglieder
DOI Kapitel:
II. Nachrufe
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Holstein, Thomas W.: Klaus Ludwig Sander (17.1.1929 – 21.2.2015)
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https://doi.org/10.11588/diglit.55653#0334
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Nachruf auf Klaus Sander

Nachdem Klaus Sander nach Deutschland zurückgekehrt war, ging er an die
Eberhard Karls-Universität nach Tübingen und arbeitete mit einem Stipendium
der Studienstiftung des deutschen Volkes bei dem Zoologen Gerhard Krause an
seiner deutschen Dissertation (1955-1958). Sander folgte Krause im Anschluss
seiner Doktorarbeit nach Würzburg, wo er sich 1963 habilitierte. Das Thema der
in dieser Zeit entstandenen Arbeiten war die embryonale Musterbildung (bei In-
sekten), deren zentrale Frage es ist, wie aus der einfachen Eizelle der Organismus
entsteht und wie dabei ein komplexes räumliches Muster aufgebaut wird, das alle
Anlagen für Körperteile und Organe besitzt. Als experimentelles Modellsystem
nutzte er eine verwandte Kleinzikade, Euscelis plebejus, die besonders große, gut
zugängliche Eizellen besitzt. Dank dieser Größe ließ sich die Eizelle gezielt mi-
krochirurgisch manipulieren. Wenn Klaus Sander durch Symbionten markiertes
Zytoplasma vom posterioren Pol der Eizelle an den entgegengesetzten anterioren
Pol transplantierte, veränderte er die Polarität und das Differenzierungsmuster im
Embryo. Diese Entdeckung gegenläufiger Gradienten im Insektenei war für die
weitere Forschung in der Entwicklungsbiologie wegweisend. Im Kontext gene-
tischer Ansätze in der Molekularbiologie fand sie vielfältige Bestätigung und Er-
weiterung, nicht zuletzt in den mit dem Nobelpreis auszeichneten Experimenten
von Nüsslein-Volhard. Zu den Ergebnissen und Konsequenzen seiner Versuche
formulierte Klaus Sander in seiner Antrittsrede zu unserer Akademie: „Die Ergeb-
nisse dieses in vielfacher Hinsicht variierten und mit anderen Eingriffen kombinierten Grund-
versuchs widersprachen wesentlichen Grundzügen der herrschenden Ansicht über embryonale
Musterbildung der Insekten. Dies zwang mich zur Entwicklung eigener Hypothesen. Sie
liefen im Kern darauf hinaus, dass das serial aus den einzelnen Körpersegmenten zusam-
mengesetzte Grundmuster des Körpers durch Wechselwirkungen zwischen zwei Zentren ent-
steht, die in der Eizelle an den beiden Polen des zukünftigen Körpers liegen müssen. Meine
Versuchsergebnisse schienen mir nur durch die Annahme erklärbar, dass von diesen Zentren
gegenläufig angeordnete Verteilungsgefälle (morphogenetische Gradienten) von Stoffen oder
Funktionszustanden ausgehen. Ihr Stärkeverhältnis würde kontinuierlich von Ort zu Ort
entlang der Ei-Achse variieren und konnte dementsprechend regional verschiedene, den Cha-
rakter der örtlichen Differenzierungen bestimmende Gene aktivieren.“
1964 erhielt Sander den Ruf auf eine außerordentliche Professur in Freiburg
im Breisgau, dem dann 1966/1967 der Ruf auf den Lehrstuhl für Entwicklungsbio-
logie folgte. Einen gleichzeitig erhaltenen Ruf an die Universität Marburg lehnte
Sander ab.
In Freiburg hat Sander über seine Wissenschaft und mit seiner Unterstüt-
zung des wissenschaftlichen Nachwuchses eine Generation von Entwicklungs-
biologen geprägt, die nicht nur auf die Entwicklung des Faches in Deutschland,
sondern auch weltweit einen maßgeblichen Einfluss ausübten. 1977 arbeitete die
spätere Nobelpreisträgerin C. Nüsslein-Volhard, ebenfalls Mitglied der HAdW,
mit einem Stipendium der DFG am Lehrstuhl von Klaus Sander. Weitere bedeu-

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