D. Antrittsreden, Nachrufe, Organe,
Mitglieder
I. Antrittsreden
Gerd Jürgens
Antrittsrede vom 30. Januar 2016
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,
ich möchte mich Ihnen kurz vorstellen, damit Sie
eine Vorstellung davon gewinnen, wen Sie als neues
Mitglied zu Ihrem illustren Club hinzugewählt ha-
ben.
In der aktuellen Mitgliederliste der math.-nat.
Klasse werde ich als „entpflichtet“ geführt. Das
deutet auf fortgeschrittenes Alter hin, die Aussage
stimmt allerdings nicht. Mein Eintritt in den Ruhe-
stand wurde bis 2019 hinausgeschoben. Ich bin also
durchaus noch regulär aktiv als Forscher und Lehrer,
obwohl ich ein Nachkriegskind bin und damit so alt wie unsere Republik.
Ich bin in Norddeutschland aufgewachsen, in einer traditionsreichen katho-
lischen Bischofsstadt in der Diaspora, in einer bildungsfernen ketzerisch-heidni-
schen Familie. Ich war das erste Familienmitglied, das ein Gymnasium besuchte
und später auch studierte. Ich war bildungshungrig, hatte aber keine eindeutigen
Vorbilder. Daher wählte ich einerseits den mathematisch-naturwissenschaftlichen
Zweig, andererseits war ich nicht ausgelastet und lernte auf der Schule vier Fremd-
sprachen, darunter zwei tote - ein wenig skurril das Ganze. Vielleicht in Klam-
mern noch: Ich wählte in der Oberstufe Chemie statt Biologie - Sie sehen ja,
wohin das geführt hat. Heute bin ich Biologe, allerdings ist die Biologie jetzt ja
auch ganz anders als vor 50 Jahren.
Auch meine Studienwahl war etwas verworren. Ursprünglich wollte ich mei-
nen Neigungen entsprechend Geschichte, Archäologie und Kunstgeschichte stu-
dieren - laut meinem Vater „eine brotlose Kunst“, die nur zum Verhungern führt.
Er sollte das Studium ja nicht finanzieren, es war also eher ein Einwurf aus dem
Off. Dennoch habe ich mich in Göttingen in Mathematik, Physik und Chemie
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Mitglieder
I. Antrittsreden
Gerd Jürgens
Antrittsrede vom 30. Januar 2016
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,
ich möchte mich Ihnen kurz vorstellen, damit Sie
eine Vorstellung davon gewinnen, wen Sie als neues
Mitglied zu Ihrem illustren Club hinzugewählt ha-
ben.
In der aktuellen Mitgliederliste der math.-nat.
Klasse werde ich als „entpflichtet“ geführt. Das
deutet auf fortgeschrittenes Alter hin, die Aussage
stimmt allerdings nicht. Mein Eintritt in den Ruhe-
stand wurde bis 2019 hinausgeschoben. Ich bin also
durchaus noch regulär aktiv als Forscher und Lehrer,
obwohl ich ein Nachkriegskind bin und damit so alt wie unsere Republik.
Ich bin in Norddeutschland aufgewachsen, in einer traditionsreichen katho-
lischen Bischofsstadt in der Diaspora, in einer bildungsfernen ketzerisch-heidni-
schen Familie. Ich war das erste Familienmitglied, das ein Gymnasium besuchte
und später auch studierte. Ich war bildungshungrig, hatte aber keine eindeutigen
Vorbilder. Daher wählte ich einerseits den mathematisch-naturwissenschaftlichen
Zweig, andererseits war ich nicht ausgelastet und lernte auf der Schule vier Fremd-
sprachen, darunter zwei tote - ein wenig skurril das Ganze. Vielleicht in Klam-
mern noch: Ich wählte in der Oberstufe Chemie statt Biologie - Sie sehen ja,
wohin das geführt hat. Heute bin ich Biologe, allerdings ist die Biologie jetzt ja
auch ganz anders als vor 50 Jahren.
Auch meine Studienwahl war etwas verworren. Ursprünglich wollte ich mei-
nen Neigungen entsprechend Geschichte, Archäologie und Kunstgeschichte stu-
dieren - laut meinem Vater „eine brotlose Kunst“, die nur zum Verhungern führt.
Er sollte das Studium ja nicht finanzieren, es war also eher ein Einwurf aus dem
Off. Dennoch habe ich mich in Göttingen in Mathematik, Physik und Chemie
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