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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0034
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Einleitung des Herausgebers

XXXIII

Es sind im Wesentlichen inhaltliche Akzentverschiebungen und ein geschärfter
Blick für die Abhängigkeit der Universität von den politischen Rahmenbedingungen,
die in der Universitätsschrift von den Erschütterungen der NS-Diktatur zeugen. Zwar
knüpft Jaspers die Zukunft der Universität wie schon vor dem Krieg an die Vorausset-
zung einer »Wiedererneuerung ihres ursprünglichen Geistes«. Aber anders als 1933, als
er selbst nach Hitlers Machtergreifung noch gehofft hatte, im Kielwasser eines rechts-
nationalen politischen Umbruchs könne auch die klassische deutsche Universitäts-
idee rehabilitiert werden, hält er ein freiheitliches demokratisches Staatswesen nun-
mehr für eine unerlässliche Grundbedingung dieser Erneuerung.
Gleichzeitig will Jaspers die Politik mit größerer Eindringlichkeit als zuvor aus den
Hörsälen heraushalten. Hiermit korrespondiert auch seine gesellschaftliche Verortung
der Universität als exklusiver, »staatsfreier Raum« der bedingungslosen Wahrheitssu-
che, die in der zweiten Ausgabe deutlich stärker herausgestellt wird als noch 1923. Zu-
dem charakterisiert Jaspers die Universität erstmals als Stätte, »an der Gesellschaft und
Staat das hellste Bewußtsein des Zeitalters sich entfalten lassen«.141 Hiermit wird der
Universität die Aufgabe angetragen, nicht nur Ort der Wissenschaft und deren Vermitt-
lung zu sein, sondern auch der Erhellung und Kritik der jeweiligen gesellschaftlichen
wie politischen Situation zu dienen. Verknüpft wird diese Forderung mit der These,
der Mensch erhebe als Mensch Anspruch darauf, dass es einen Ort bedingungsloser
Wahrheitsforschung geben müsse.142 Dieser Anspruch wird in der Schrift vornehm-
lich mit dem »ursprünglichen Wissenwollen« begründet. Dieses vollziehe »die Lust
des Wissens im Sehen, in der Methodik des Gedankens, in der Selbstkritik als Erzie-
hung zur Objektivität, aber auch die Erfahrung der Grenzen, des eigentlichen Nicht-
wissens sowohl wie dessen, was man im Wagnis des Erkennens geistig aushalten
muß«.143 Wie das Zitat verdeutlicht, spiegelt sich in Jaspers’ Konzept des ursprüngli-
chen Wissenwollens ein deutlich philosophisch akzentuiertes Ethos der Wissen-
schaftlichkeit. Gegenüber der Erstausgabe ersetzt dieses Konzept den Geist als Aus-
gangspunkt wissenschaftlichen Strebens. Der Geist erfährt auch insofern eine
Abwertung, als Jaspers dessen synthetisierendes Moment nun der Vernunft überträgt.
Lediglich die »Macht der Vision« und die »Fähigkeit der Wesensanschauung« werden
dem Geist in der zweiten Ausgabe noch zugestanden. Demgegenüber wird die Exis-
tenz als Trägerin des geistigen Lebens und des »unbedingten Entschlusses«, den Jas-
pers hier als existentiell aus dem ursprünglichen Wissenwollen resultierenden kon-
kreten Willen zur Wissenschaft fasst, hervorgehoben.144 Komplementär zum ur-
sprünglichen Wissenwollen formuliert Jaspers sein Verständnis von Bildung in der

141 K. Jaspers: Die Idee der Universität [1946], in diesem Band, 109.
142 Ebd.
143 Ebd., 110.
144 Ebd., 126.
 
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