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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0047
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XLVI

Einleitung des Herausgebers

Wiederherstellung bedürfe. In diesem Sinne müsse die Universität den Kampf mit der
Gewalt aufnehmen, die sie geistig vernichte. Erstmals spricht Jaspers der Universität
damit die Berechtigung und die Aufgabe zu, auch politisch aktiv zu werden. Die Aus-
einandersetzung müsse »geführt werden, bis die Verwaltung selber vom Geist der Uni-
versität ergriffen und mit ihm solidarisch geworden« sei.* * * * * * * * * 207
Die Reformdebatte der späten 1940er- und I95oer-Jahre und der erwähnte minis-
terielle Fehlgriff waren allerdings nicht die einzigen Gründe für diese neue, deutlich
politisch gefärbte Perspektive auf die Universität. Besonders Jaspers’ Tätigkeit als
politischer Schriftsteller, die seit den frühen I95oer-Jahren stark von Hannah Arendts
Totalitarismusanalyse208 beeinflusst war, schlägt sich in seinen späten Texten zur Uni-
versität deutlich nieder. Dies zeigt sich insbesondere in Bezug auf seine Reflexionen
über die weltpolitische Situation und den »Kampf mit dem Totalitarismus«,209 die er
Anfang der ipöoer-Jahre wiederholt mit aktuellen Entwicklungen im Bildungswesen
und mit Grundfragen der Demokratie in Beziehung setzte.
Bereits in seinen »Thesen über politische Freiheit« aus dem Jahr 1946 hatte Jaspers
die Hervorbringung einer »aristokratischen Schicht« als »Bedingung einer freien De-
mokratie« ausgewiesen, »die ständig aus der Gesamtbevölkerung nach Leistung, Ver-
dienst, Erfolg ergänzt wird« und die er als »politische Elite« bezeichnet.210 Deren Entste-
hung hält Jaspers allerdings - wie schon in früheren Texten - weder für planbar noch
für lenkbar. Gleichwohl benennt er die in seinen Augen wesentliche Grundvorausset-
zung für das Erwachsen einer geistigen und einer sich daraus speisenden politischen
Elite, nämlich die Gewährung der größtmöglichen Freiheit der Lebensführung.211 Die-

Woermann aus Protest sein Amt niederlegte und die Studierenden geschlossen in den Hochschul-
streik traten. Rektoren der Technischen Hochschule und der Pädagogischen Kant-Hochschule in
Braunschweig schlossen sich diesen Aktionen an und das internationale »Committee on Science
& Freedom« wandte sich mit einer Protestnote, unterschrieben von 17 international führenden
Wissenschaftlern, darunter auch Karl Jaspers, an den Ministerpräsidenten Niedersachsens, um
eine Entlassung Schlüters zu erwirken. Nachdem sich die CDU anfangs gegen eine Einmischung
in die Regierungsbildung verwahrt hatte, musste Schlüter am n. Juni 1955 sein Amt zur Verfü-
gung stellen (vgl. hierzu: R. Schottlaender: »Der Fall Schlüter«, in: Deutsche Universitätszeitung,
Nr. 11 [1955] 3-4).
207 K. Jaspers: »Vom rechten Geist der Universität«, in diesem Band, 239.
208 Jaspers hatte 1955 ein Geleitwort zur deutschen Übersetzung von Hannah Arendts 1951 erschie-
nenem Werk The Origins ofTotalitarianism (dt: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, Frankfurt
a.M. 1955) geschrieben.
209 Unter diesem Titel veröffentlichte Jaspers 1956 den zwei Jahre zuvor in den USA erschienenen
Aufsatz »The Fight Against Totalitarianism« (übers, von J. Crick und W. Strauss, in: Confluence. An
International Forum, Nr. 3 [1954] 251-266; deutsche EV: »Im Kampf mit dem Totalitarismus«, in:
Kontinente. Gedanken und Gespräche der Gegenwart, Nr. 6 [1955] 1-8).
210 K. Jaspers: »Thesen über politische Freiheit«, 462.
211 Dies bringt Jaspers im folgenden Satz zum Ausdruck: »Damit die [staatliche Daseins-]Ordnung
dem Menschen maximale Freiheit ermögliche, ist die Ordnung auf das Daseinsnotwendige zu be-
schränken« (»Thesen über politische Freiheit«, 463).
 
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