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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Editor]; Schwabe AG [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0117
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Die Idee der Universität [1923]

gik, in denen wir, was wir denken, selbst konstruieren oder jeden Augenblick in der All-
tagserfahrung vorfinden. Vielmehr bedarf der Erkennende überall des Stoffes, der em-
pirischen Anschauung, des Materials. Die Universität als Institution schafft es herbei,
bietet es dem Forscher und Studierenden an: Institute, Sammlungen, Bibliotheken, Kli-
niken; die Objekte selbst oder deren Abbildungen, Apparate und Präparate. Die toten
Objekte reichen nicht aus für die gesamte Welt des Wißbaren. Die Geistigkeit ist nur
als lebendige und gegenwärtige da. Das Selbstbewußtsein einer Zeit und einer Kultur
spricht sich in Begriffen aus, wenn der denkende Mensch mit seiner Existenz in Wech-
selwirkung mit der Zeit, in Verkehr mit geistig produktiven Menschen steht, in unmit-
telbarer Erfahrung die Gegenwart kennen lernt. Daher besteht an der Universität als
Grundlage, als Hintergrund des Denkens ein Fluidum geistigen Lebens, eine niemals
einzufangende, auch nicht willensmäßig oder durch Institution herbeizuführende Be-
weglichkeit der Menschen, eine persönliche, verschwiegene Schicksalshaftigkeit. Es
bilden sich Kreise und menschliche Beziehungen unberechenbarer Art, die kommen
und gehen, und die Universität wird arm, wenn dieser menschlich-geistige Unter-
grund nicht mehr pulsiert, nur noch Pedanten und Philister mit dem ihnen fremden
Stoff sich abgeben, und es nur noch Philologie, keine Philosophie, nur noch techni-
sche Praxis, nicht mehr Theorie, nur noch endlose Tatsachen, keine Idee mehr gibt.
Eine Erweiterung der immer begrenzten Welt der Universität durch Reisen, durch Auf-
nahme von Gästen, durch möglichst weite und in die persönliche Tiefe gehende Bezie-
hungen auch auswärtigen Verkehrs, durch Teilnahme an praktischen Aufgaben, zu de-
nen vielleicht Glieder der Universität berufen werden, denen andere (die Ärzte) ständig
dienen, alles das kommt der Universitätsidee zu Hilfe, wenn es sich mitteilt und sich
umsetzt in Gedachtes und Widerhall findet in der Welt der forschenden Genossen.
In der Idee der Universität scheint ausschließlich die Ausbildung geistig bewegten
Erkennens zu liegen. Das dritte Moment neben Forschung und Fachschulung, die Bil-
dung zum geprägten Menschen, scheint damit nicht in notwendigem Zusammenhang
49 | zu stehen. In der Tat, nicht jede beliebige Bildung und nicht eine bewußte und end-
gültige Bildung ist Moment der Universitätsidee, aber innerhalb des Gesamtbildes ei-
nes Menschen spielt die rationale und philosophische Prägung eine so entscheidende
Rolle, daß mit dem Ergriffensein von der Idee der Universität, von dem grenzenlosen
Willen zum Forschen und Klären, eine zwar für viele Sphären des Lebens unbestimmte,
aber doch eine Bildung verknüpft ist: sie fördert die Humanitas,75 d.h. das Hören auf
Gründe, das Verstehen, das Mitdenken auf dem Standpunkt eines jeden anderen, die
Redlichkeit, die Disziplinierung und Kontinuität des Lebens. Aber diese Bildung ist na-
türlicher Erfolg, nicht bewußtes Ziel, und durch die Aufstellung der Bildung zu einem
besonderen, in Loslösung von den Wissenschaften erreichbarem Ziel, wird die Idee
der Universität verraten. Mag man nun an eine dünne »humanistische« Bildung den-
ken, die statt philologisch-methodischer Schulung bloße Ergebnisse und anschaubare
schöne Dinge zum Genüsse und Gerede darbieten und Chaos statt Bildung fördern
 
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