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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0162
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Vom lebendigen Geist der Universität

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Das Ganze aber ist nirgends fertig da, weder in den einzelnen Wissenschaftsgebie-
ten und ihren Fakultäten, noch in der Gesamtheit der Universität. Es lebt überall durch
ungelöste Spannungen.
Die theologische Fakultät lebt in Spannungen der Konfessionen, aus denen die ver-
borgene Einheit aller biblischen Religion hervorleuchtet, die schließlich auf die Soli-
darität allen echten Glaubens der sich zur Transzendenz aufschwingenden geschicht-
lichen Menschheit führen müßte.
Die juristische Fakultät entfaltet den Rechtsgedanken im positiven Recht ihres Staa-
tes und geht auf die übergreifenden Ideen von Naturrecht und Völkerrecht. Die Span-
nung liegt zwischen dem positivistischen Satz, jeder habe nur soviel Recht als er Macht
habe, und der Idee, daß nur was in der Macht auch Recht sei, wahr und beständig
bleibe.
Die medizinische Fakultät lebt in der Spannung der Auffassung des Menschen als
Leib, der mit naturwis|senschaffliehen Mitteln vollständig zu begreifen ist und dem 190
allein mit diesen geholfen werden kann, und der Kommunikation mit dem Menschen
als Freiheit der Existenz,152 dem ich als Arzt Schicksalsgefährte, nicht mehr nur natur-
forschender Helfer bin.
Die technische Fakultät lebt in der Spannung zwischen technischen Möglichkei-
ten und menschlichen Lebensordnungen. Sie ist in einer Wertneutralität ebensogut
zur Zerstörung wie zum Aufbau zu nutzen. Sie ist an Naturwissenschaften gebunden,
aber in ihrer Verwirklichung zu führen von der Freiheit des Menschen, der weiß, was
er kann und will, oder es nicht weiß.
Das Ganze der Universität aber in allen Fakultäten könnte leben in der tiefen Span-
nung von Theologie und Philosophie, die, beide aufeinander angewiesen, in ihrer Po-
larität ebenso Bundesgenossen wie Gegensätze sind.
Der lebendige Geist nun ergreift überall die Spannungen, steigert sie und bringt sie
zu fruchtbarer Bewegung. Sie erlahmen zu lassen und in fertigen Gesamtanschauungen
als vermeintlich absoluter Wahrheit in der Tat zu verschleiern, ist der Tod des Geistes.
Das Ganze in seinen Spannungen weiter hat Gehalt allein durch Tiefe und Umfang
der Erfahrungen. Erfahrung nennen wir alles, was dem Menschen gegenwärtig werden
kann. Innerhalb der Erfahrung aber liegt folgender Gegensatz: Auf der einen Seite die
Selbsterfahrung des Geistes im Hervorbringen der Bilder und Entwürfe, mit denen er
ideale Wahrheit entdeckt, auf der anderen Seite die Erfahrung der undurchdringlich
außen da seienden Natur im Hinnehmen des leibhaftig Gegebenen. Dieser Gegensatz
hat zur Folge die Scheidung in Geistes- und Naturwissenschaften.
| In den Geisteswissenschaften ist Erfahrungsgrundlage das geistige Leben selber. Der 191
Geist beschäftigt sich mit sich im Medium seiner Geschichte. Wir erfassen deren Ge-
halte in dem Maße, als wir selbst religiös sind, als der sittliche Entschluß131 uns trägt,
als wir in künstlerischer Anschauung und in politischer Leidenschaft leben, gleichgül-
tig ob in aktiver Teilnahme oder in schmerzvoller Entbehrung, ob aus der Fülle oder
 
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