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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0270
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Die Idee der Universität [1946]

195

sters ist, dem Hebbels Holofernes bei einer von ihm schon entschiedenen Sache erklärt:
Dir befehle ich, die Gründe dafür aufzufinden.274
Die Lehrfreiheit ist nicht ein sicher in Besitz befindliches und leicht zu genießen-
des Gut. Eine Gefahr für die innere geistige Haltung der Professoren erwächst schon
aus der unausweichlichen Tatsache, daß sie vom Staat besoldet werden. Es ist unver-
meidlich, daß sie eine Neigung haben, die staatlichen Zustände, die ihnen günstig
sind, die ihnen Geltung verschaffen, zu bejahen, Bestehendes und Gewordenes als sol-
ches anzuerkennen und mit ihrem Wort als Werkzeug des herrschenden Staates zu die-
nen. Das Mißtrauen gegen die vom Staat angestellten Gelehrten hat zwar ein unge-
rechtes Übermaß gewonnen, zumal Schopenhauers bis zur Karikatur entartetes Schelten
auf die Staatsphilosophen108 trifft nicht, weil es blind geworden ist. Aber eine Grund-
lage hat dieses Mißtrauen, das furchtbar nur als Mißtrauen gegen sich selbst ist. Es ist
nicht zufällig, daß von Sokrates an mancher solchen Wert darauf legte, gänzlich unab-
hängig zu sein und unentgeltlich sein geistiges Können wirken zu lassen.

| 6. Universität und Nation275

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Die Idee der Universität ist abendländisch, von den Griechen her109 uns Europäern ei-
gentümlich.110 Die Universitäten als Institutionen sind staatliche Anstalten oder, wenn
sie private Stiftungen sind, doch immer einer Nation angehörig. Die Universität ist Aus-
druck eines Volkes. Sie erstrebt Wahrheit, sie will der Menschheit dienen, Menschen-
tum schlechthin repräsentieren. Humanitas - wie oft und tief auch die Bedeutung die-
ses Begriffs sich gewandelt hat - ist zu ihrem Wesen gehörig. Darum gehört zwar jede
Universität zu einem Volk, aber sie strebt Übernationales zu erfassen und zu verwirkli-
chen.276 Sie ist bei aller sonstigen Verschiedenheit darin verwandt der Idee der Kirche.
Darum hat die Universität als solche aus ihrer Geistigkeit heraus nicht im Kampf der
Nationen Stellung zu nehmen. Alle Glieder der Universität sind als Menschen ihrem
Volke zugehörig. Aber als Glieder der Universität, als Fakultät und Senat, haben sie nicht
die Aufgabe, politische Kundgebungen zu machen,112 selbstverständlich keine partei-
politischen, aber auch keine nationalen, weil sie als Universität allein durch geistiges
Schöpfertum der Nation und der Menschheit dienen. Die Reinheit der Idee wird getrübt
dadurch, daß sie in ihr inadäquate Beziehungen gebracht wird. Das Nationale ist wie
alles ein Gegenstand der Forschung, aber nicht Ziel und Sinn des Universitätslebens.
Jeder Deutsche wird als Glied der Universität das Ansehen seiner Korporation und
deren Leistungen als einen Ruhm der Nation empfinden, aber gerade als sachlicher
Mensch dient er an der Universität einer nicht nationalen, sondern einer abendländi-
schen Idee, die er am liebsten für eine Menschheitsidee halten würde. Darum wird er
die Vertretung der Interessen der Nation nicht als eine Aufgabe der Universität anse-
hen und sich der Organe der Universität nur zu sachlich-wissenschaftlichen und Er-
ziehungsaufgaben, zu keinerlei anderen, bedienen.
 
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