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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0340
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Die Idee der Universität. Für die gegenwärtige Situation entworfen [1961]

265

ohne daß Forscher und Lehrer vom Charakter wissenschaftlichen Geistes da sind.355
Andere Wissenschaften, die sachlich von größtem Gewicht sind, werden wenig be-
dacht, da ein praktisches Bedürfnis nicht, oder noch nicht vorliegt und nur wenige
Studenten sich ihnen zuwenden (Ägyptologie, Indologie, Sinologie). Andere, die einst
maßgebend waren, treten in den Hintergrund (klassische Philologie).
2. Die Entwicklung der Wissenschaften selber hat zu ständig weiterer Spezialisie-
rung und damit zu einer enormen Vermehrung der Fächer geführt. Das liegt in der Na-
tur der Sache, ist für die Forschung unumgänglich und ist nicht rückgängig zu machen.
Wenn aber die Beobachtung auch zeigt, daß eine Tendenz besteht, nicht nur sich zu
spezialisieren, sondern dabei | seinen Horizont zu beschränken und wissenschaftlich 4
im Ganzen Barbar zu bleiben, so ist dies keineswegs eine Notwendigkeit. Es liegt am
Willen jedes Einzelnen.
Mit der Spezialisierung ist heute im technischen Zeitalter eine enorme Vermehrung
der materiellen Mittel der Forschung verbunden. Das ist vorwiegend in den Naturwis-
senschaften geschehen, in denen die finanziellen Ansprüche, gemessen an Früherem,
ins Phantastische gewachsen sind. Aber auch in fast allen anderen Wissenschaften
geht Ähnliches vor sich. Die Lehre wird mit der Forschung aufgenommen in den In-
stitutsbetrieb. Was früher Gelehrtentätigkeit in kleinen Räumen war, hat die Gestalt
von Industrieunternehmen gewonnen. Damit ist eine Strukturwandlung der Arbeits-
weise eingetreten, die das gesamte Leben der Forscher und der Studenten so geändert
hat, daß die alte Universitätsverfassung durch eine ganz andere von innen ausgehöhlt
wird: »Innerlich ebenso wie äußerlich ist die alte Universitätsverfassung fiktiv gewor-
den« (Max Weber, Wissenschaft als Beruf 1919).356 Damit ist aber die Sache nicht erle-
digt. Was als eine bestimmte Erscheinung fiktiv geworden ist, das könnte aus seinem
Ursprung in neuer Gestalt als Wirkungsmitte der einen Universität Wiedererstehen.
3. Das Bewußtsein der Zusammengehörigkeit in einem einzigen gemeinsamen
Geist, der Idee der Universität, schwindet. Die Universität wird ein Aggregat von Fach-
schulen, dessen Universalität nur noch darin bestände, vollständig alle Fachschulen
zu umfassen, was sie jedoch in keinem Fall realisiert. Bei solchem Zustand scheint
nichts mehr verloren zu gehen, wenn man die Fachschulen auch räumlich trennt und
die Universität preisgibt.
Wenn heute die Einheit der Universität noch rhetorisch betont wird, so wird doch
die Einheit der Wissenschaften als Idee und als Wirklichkeit ständig schwächer. Nur
aus dieser Einheit der Wissenschaften kann die Einheit der Universität ihre Kraft ha-
ben. Jedoch liegt der Grund dieser gegenwärtigen Erscheinung keineswegs in der Na-
tur der Sache, sondern in der Zerstreutheit der Forscher, Gelehrten, Denker. Ihre in
umgreifender Konzentration gewonnenen geistigen Akte könnten die Kraft der Ein-
heit von neuem wirklich werden lassen.
4. Der Massenzustrom bringt den Unterrichtsbetrieb durch Raummangel, Mangel
an der genügenden Zahl von Dozenten, | Mangel an genügenden Unterrichtsmitteln 5
 
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