Die Idee der Universität. Für die gegenwärtige Situation entworfen [1961] 295
Weisen des Wirklichen - dem Leblosen, dem Lebendigen, der Seele, dem Geist - und
ein Bewußtsein der Kategorien, durch die wir denken und ein Bewußtsein der Viel-
fachheit bestimmter Methoden, durch die wir zu erkennen vermögen, wie es in frü-
heren Zeiten noch nie da war. Auch die in den neuen Jahrhunderten oft vollzogene
| Beschränkung des Verstandes auf die Kategorien des Mechanismus, auf die formale 45
Logik, auf die empirische Realität im quantitativen Sinne der Meßbarkeit und Zählbar-
keit, ist nur eine der großen wissenschaftsfeindlichen Verführungen. Statt dieser Ent-
leerung der Welt zu dem, was als verstandesbegreifbar zu »machen« ist, wurden in un-
seren Jahrhunderten die Kategorien und Methoden nach allen Seiten zur Klarheit
gebracht, geschieden. Das Bollwerk der universalen Wissenschaftlichkeit steht gegen
die Verwechslungen, die Beschränkungen, die Vergessenheit ganzer kategorialer Be-
reiche. Man muß dieses Bollwerk nur betreten, die Wissenschaft überhaupt, die über-
all den je eigentümlichen Sinn des Allgemeingültigen und Zwingenden herausarbeitet.
3. Grenzen der Wissenschaft
Die Wissenschaft im engeren Sinne nun hat ihre unüberschreitbaren Grenzen, von
denen wir folgende in Kürze nennen:
Wissenschaftliche Sacherkenntnis ist nicht Seinserkenntnis. Denn wissenschaftliche
Erkenntnis ist partikular, auf bestimmte Gegenstände, nicht auf das Sein selbst gerich-
tet. Wissenschaft bewirkt daher philosophisch gerade durch Wissen das entschieden-
ste Wissen von dem Nichtwissen, nämlich von dem Nichtwissen dessen, was das Sein
selbst ist.208
Wissenschaftliche Erkenntnis vermag keinerlei Ziele für das Leben zu geben. Sie
stellt keine gültigen Werte auf. Sie kann als solche nicht führen. Sie verweist durch ihre
Klarheit auf einen anderen Ursprung unseres Lebens.
Wissenschaft vermag auch keine Antwort zu geben auf die Frage nach ihrem eige-
nen Sinn. Daß Wissenschaft da ist, beruht auf Antrieben, die selbst nicht mehr wissen-
schaftlich als wahre und seinsollende bewiesen werden können.
Die Grenzen der Wissenschaft haben immer dann die tiefste Enttäuschung bewirkt,
wenn man von der Wissenschaft erwartet hatte, was sie zu leisten außerstande ist.
Wenn der Glaubenslose in der Wissenschaft Ersatz suchte und erfahren wollte, wor-
auf er sein Leben gründen kann - wenn der an der Philosophie Unbefriedigte in der
Wissenschaft die Wahrheit suchte, die allumfassend das Ganze trifft - wenn der an In-
nerlichkeit | Arme durch eine in den Wissenschaften genährte endlose Reflexion der 46
eigenen Nichtigkeit inne wurde - jedesmal wurde die Wissenschaft nach einer Zeit des
blinden Wissenschaftsaberglaubens Gegenstand des Hasses und der Verachtung. Sind
nun aber diese Wege von ihrem Anfang an in ihrer Unwahrheit durchschaubar, so
bleibt dennoch die Frage, welchen Wert die Wissenschaft noch habe, wenn ihre Gren-
zen so entschieden bewußt geworden sind.
Weisen des Wirklichen - dem Leblosen, dem Lebendigen, der Seele, dem Geist - und
ein Bewußtsein der Kategorien, durch die wir denken und ein Bewußtsein der Viel-
fachheit bestimmter Methoden, durch die wir zu erkennen vermögen, wie es in frü-
heren Zeiten noch nie da war. Auch die in den neuen Jahrhunderten oft vollzogene
| Beschränkung des Verstandes auf die Kategorien des Mechanismus, auf die formale 45
Logik, auf die empirische Realität im quantitativen Sinne der Meßbarkeit und Zählbar-
keit, ist nur eine der großen wissenschaftsfeindlichen Verführungen. Statt dieser Ent-
leerung der Welt zu dem, was als verstandesbegreifbar zu »machen« ist, wurden in un-
seren Jahrhunderten die Kategorien und Methoden nach allen Seiten zur Klarheit
gebracht, geschieden. Das Bollwerk der universalen Wissenschaftlichkeit steht gegen
die Verwechslungen, die Beschränkungen, die Vergessenheit ganzer kategorialer Be-
reiche. Man muß dieses Bollwerk nur betreten, die Wissenschaft überhaupt, die über-
all den je eigentümlichen Sinn des Allgemeingültigen und Zwingenden herausarbeitet.
3. Grenzen der Wissenschaft
Die Wissenschaft im engeren Sinne nun hat ihre unüberschreitbaren Grenzen, von
denen wir folgende in Kürze nennen:
Wissenschaftliche Sacherkenntnis ist nicht Seinserkenntnis. Denn wissenschaftliche
Erkenntnis ist partikular, auf bestimmte Gegenstände, nicht auf das Sein selbst gerich-
tet. Wissenschaft bewirkt daher philosophisch gerade durch Wissen das entschieden-
ste Wissen von dem Nichtwissen, nämlich von dem Nichtwissen dessen, was das Sein
selbst ist.208
Wissenschaftliche Erkenntnis vermag keinerlei Ziele für das Leben zu geben. Sie
stellt keine gültigen Werte auf. Sie kann als solche nicht führen. Sie verweist durch ihre
Klarheit auf einen anderen Ursprung unseres Lebens.
Wissenschaft vermag auch keine Antwort zu geben auf die Frage nach ihrem eige-
nen Sinn. Daß Wissenschaft da ist, beruht auf Antrieben, die selbst nicht mehr wissen-
schaftlich als wahre und seinsollende bewiesen werden können.
Die Grenzen der Wissenschaft haben immer dann die tiefste Enttäuschung bewirkt,
wenn man von der Wissenschaft erwartet hatte, was sie zu leisten außerstande ist.
Wenn der Glaubenslose in der Wissenschaft Ersatz suchte und erfahren wollte, wor-
auf er sein Leben gründen kann - wenn der an der Philosophie Unbefriedigte in der
Wissenschaft die Wahrheit suchte, die allumfassend das Ganze trifft - wenn der an In-
nerlichkeit | Arme durch eine in den Wissenschaften genährte endlose Reflexion der 46
eigenen Nichtigkeit inne wurde - jedesmal wurde die Wissenschaft nach einer Zeit des
blinden Wissenschaftsaberglaubens Gegenstand des Hasses und der Verachtung. Sind
nun aber diese Wege von ihrem Anfang an in ihrer Unwahrheit durchschaubar, so
bleibt dennoch die Frage, welchen Wert die Wissenschaft noch habe, wenn ihre Gren-
zen so entschieden bewußt geworden sind.