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Jaspers, Karl; Immel, Oliver [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 21): Schriften zur Universitätsidee — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51221#0520
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| Wissenschaft, Lehrfreiheit und Politik.
Ist die Freiheit von Forschung und Lehre,
ist die geistige Grundlage der Universität in der
Bundesrepublik bedroht?447
Jaspers: Wir sind, Herr Rossmann,448 zu einem Gespräch über die Lehrfreiheit an
der Universität aufgefordert worden. Die Lehrfreiheit ist durch das Grundgesetz garan-
tiert und gilt doch als selbstverständliches Recht?
Rossmann: Diese Selbstverständlichkeit, Herr Jaspers, könnte täuschen. Anders läßt
sich es nicht erklären, daß die Lehrfreiheit unlängst Gegenstand einer ungewöhnlich
heftigen Auseinandersetzung im badisch-württembergischen Landtag wurde.449
Jaspers: Daß solche Aufregung möglich war, halte ich für ein erfreuliches Symptom.
Wo die Freiheit der Lehre an Hochschulen bedroht scheint, wird heute noch ein Nerv
des Freiheitsbewußtseins getroffen. Vielleicht gehen wir von diesem konkreten Fall aus.
Rossmann: Ich bin einverstanden. Zwar würde mir dieses Beispiel ungeeignet er-
scheinen, wenn wir zu ihm im Ganzen pro oder contra Stellung nehmen sollten. Aber
Argumente, Formulierungen und Handlungen, die im Laufe dieser Auseinanderset-
zung vorkamen, sind von großem Interesse für unsere Frage.
Jaspers: Was ist nach Ihrer Meinung eigentlich geschehen? Ist in diesem Falle durch
Eingriff des Staates die Lehrfreiheit eines Professors beschränkt oder bedroht worden?
Rossmann: Nein, keineswegs. Das ist gerade das Merkwürdige. Der Gegenstand der
Aufregung war ein anderes Faktum.
Vom Senat der Technischen Hochschule in Stuttgart wurde, wie es heißt: einstimmig,
vorgeschlagen, den außerordentlichen Professor der Philosophie, Max Bense, der seit
1949 als einziger Vertreter der Philosophie an dieser Hochschule lehrt, zum persönli-
chen Ordinarius zu ernennen.
Noch vor einer amtlichen Stellungnahme des Ministeriums zu diesem Antrag sprach
der Hochschulreferent450 in einem kleineren Kreise seiner Partei, der CDU, von einem
»Lehrstuhl mit östlichem Gefälle« an der Technischen Hochschule. Er erklärte, daß
die vom Senat beantragte Ernennung Benses wegen seiner religionsfeindlichen Schrif-
ten vom Ministerium abgelehnt sei. Diese Äußerungen gelangten - offenbar unbeab-
sichtigt - in die Presse.451
In einer vom Allgemeinen Studentenausschuß der Hochschule veranstalteten Diskus-
sion spezifizierte dann der Hochschulreferent seine Urteile über Bense. Professoren
und Studenten waren begreiflicherweise empört, weil ein Hochschulreferent sich an-

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