15. Mai 2004 | 61
Jedoch nicht allem wegen seiner eigenen weiten Verbreitung nimmt der Klag-
spiegel eine zentrale Stellung in der Rechtsgeschichte des 15. und 16. Jahrhunderts
ein, weit wichtiger noch ist seine Verwendung als Vorlage für andere juristische
Werke. Für das Zivilrecht konnte nachgewiesen werden, wie umfassend die Schöp-
fer der Wormser Reformation (1498) den Klagspiegel zu Rate gezogen haben. Ein-
flüsse auf das Freiburger Stadtrecht des Ulrich Zasius (1520) und die „Verneute
Reformation“ der Stadt Nürnberg (1564) erscheinen mehr als nur wahrscheinlich.
Als Ulrich Tengler seinen berühmten „Laienspiegel“ (1509) verfaßte, orientierte er
sich nicht nur an Konzept und Aufbau des rund siebzig Jahre älteren Klagspiegels, er
verwendete ihn ebenso als reiche inhaltliche Quelle für sein Rechtsbuch. Ähnliches
gilt für Justin Goblers „Gerichtlichen Prozeß“ und „Rechten-Spiegel“. Auch im
Strafrecht schöpften die meisten genannten Werke aus dem Klagspiegel. Er zählt aber
auch zu den wichtigsten Quellen der Constitutio Crimmalis Bambergensis (1507)
und beeinflußte auf diese Weise nachhaltig die Constitutio Crimmalis Carolina
(1532), das erste Strafgesetzbuch, das in ganz Deutschland Geltung beanspruchte.
Nicht Reichserbschenk Konrad von Limpurg, wie in der Literatur vielfach
vermutet, genausowenig die Gebrüder Johann und Konrad von Bachenstein kom-
men als Verfasser des Klagspiegels in Betracht. Vielmehr stammt der Klagspiegel aus
der Feder des 1444 verstorbenen Schwäbisch Haller Stadtschreibers Conrad Heyden.
Heyden, der ab 1403 in Erfurt studiert hatte, den fachlichen Austausch mit Kollegen
pflegte und sich eine eigene Bibliothek aufbaute, trat nachweislich auch als Verfasser
anderer juristischer Werke auf.
Der Klagspiegel scheint mit Conrad Heydens Schicksal auf das Engste verbun-
den. Es finden sich im Rechtsbuch nicht nur vielerlei Anspielungen auf seine Arbeit
als Stadtschreiber und sein privates Umfeld vom eigenen „Garten vor dem Tor“ bis
zum privaten Fischteich. Zahlreiche Bemerkungen im Klagspiegel dürften zudem
auf persönliche Erlebnisse Heydens zurückgehen, dessen Leben zum Teil wie ein
Krimi aus der Raubritterzeit wirkt. Insbesondere seine auf Intrigen zurückgeführte,
schmachvolle Entlassung aus dem Amt des Stadtschreibers im Jahre 1436 spiegelt sich
im Rechtsbuch wider. Möglicherweise gaben die Umstände der Entlassung, die
Heyden als schwere Ungerechtigkeit empfunden haben muß, sogar den Anlaß für das
Rechtsbuch. Denn schließlich sollte der Klagspiegel dazu dienen, daß „sich em
yeder... vor unrechter that/ handellung unnd fürne[h]men hütenn mag“. Und nur
auf dem Weg der Gerechtigkeit, so mahnt Heyden am Ende des Klagspiegels, folge
„nach disem hynfa[h]renden unnd zergäncklichen leben/die freüd und seligkeyt des
ewigen lebens. Amen.“
Jedoch nicht allem wegen seiner eigenen weiten Verbreitung nimmt der Klag-
spiegel eine zentrale Stellung in der Rechtsgeschichte des 15. und 16. Jahrhunderts
ein, weit wichtiger noch ist seine Verwendung als Vorlage für andere juristische
Werke. Für das Zivilrecht konnte nachgewiesen werden, wie umfassend die Schöp-
fer der Wormser Reformation (1498) den Klagspiegel zu Rate gezogen haben. Ein-
flüsse auf das Freiburger Stadtrecht des Ulrich Zasius (1520) und die „Verneute
Reformation“ der Stadt Nürnberg (1564) erscheinen mehr als nur wahrscheinlich.
Als Ulrich Tengler seinen berühmten „Laienspiegel“ (1509) verfaßte, orientierte er
sich nicht nur an Konzept und Aufbau des rund siebzig Jahre älteren Klagspiegels, er
verwendete ihn ebenso als reiche inhaltliche Quelle für sein Rechtsbuch. Ähnliches
gilt für Justin Goblers „Gerichtlichen Prozeß“ und „Rechten-Spiegel“. Auch im
Strafrecht schöpften die meisten genannten Werke aus dem Klagspiegel. Er zählt aber
auch zu den wichtigsten Quellen der Constitutio Crimmalis Bambergensis (1507)
und beeinflußte auf diese Weise nachhaltig die Constitutio Crimmalis Carolina
(1532), das erste Strafgesetzbuch, das in ganz Deutschland Geltung beanspruchte.
Nicht Reichserbschenk Konrad von Limpurg, wie in der Literatur vielfach
vermutet, genausowenig die Gebrüder Johann und Konrad von Bachenstein kom-
men als Verfasser des Klagspiegels in Betracht. Vielmehr stammt der Klagspiegel aus
der Feder des 1444 verstorbenen Schwäbisch Haller Stadtschreibers Conrad Heyden.
Heyden, der ab 1403 in Erfurt studiert hatte, den fachlichen Austausch mit Kollegen
pflegte und sich eine eigene Bibliothek aufbaute, trat nachweislich auch als Verfasser
anderer juristischer Werke auf.
Der Klagspiegel scheint mit Conrad Heydens Schicksal auf das Engste verbun-
den. Es finden sich im Rechtsbuch nicht nur vielerlei Anspielungen auf seine Arbeit
als Stadtschreiber und sein privates Umfeld vom eigenen „Garten vor dem Tor“ bis
zum privaten Fischteich. Zahlreiche Bemerkungen im Klagspiegel dürften zudem
auf persönliche Erlebnisse Heydens zurückgehen, dessen Leben zum Teil wie ein
Krimi aus der Raubritterzeit wirkt. Insbesondere seine auf Intrigen zurückgeführte,
schmachvolle Entlassung aus dem Amt des Stadtschreibers im Jahre 1436 spiegelt sich
im Rechtsbuch wider. Möglicherweise gaben die Umstände der Entlassung, die
Heyden als schwere Ungerechtigkeit empfunden haben muß, sogar den Anlaß für das
Rechtsbuch. Denn schließlich sollte der Klagspiegel dazu dienen, daß „sich em
yeder... vor unrechter that/ handellung unnd fürne[h]men hütenn mag“. Und nur
auf dem Weg der Gerechtigkeit, so mahnt Heyden am Ende des Klagspiegels, folge
„nach disem hynfa[h]renden unnd zergäncklichen leben/die freüd und seligkeyt des
ewigen lebens. Amen.“