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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2004 — 2004

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I. Das Geschäftsjahr 2004
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Gesamtsitzung am 10. Juli 2004
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Pfleiderer, Christian: Verleihung des Akademiepreises an Dr. Christian Pfleiderer
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https://doi.org/10.11588/diglit.66960#0081
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10. Juli 2004 I 93

einer bestimmten Übergangsmetall-Verbindung, Mangansilizium (MnSi), haben dabei
zur Entdeckung einer Reihe unerwarteter Eigenschaften geführt.
Bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt und einem Druck von
14600 Atmosphären unterliegt der Magnetismus der Leitungselektronen in MnSi
einem Phasenübergang erster Ordnung, also einem Phasenübergang, der nicht von
Fluktuationen getrieben zu sein scheint. Um so überraschender war die Beobach-
tung einer anomalen Temperaturabhängigkeit in Präzisionsmessungen des elektri-
schen Widerstands oberhalb dieses Drucks (Nature 414, 427 (2001)), die auf eine
weit ausgedehnte stabile metallische Phase hinweisen, deren charakteristische Anre-
gungen kritische Fluktuationen zu sein scheinen. Em derartiges Verhalten hatte man
zuvor für unmöglich gehalten.
Weiterführende Untersuchungen der magnetischen Ordnung von MnSi mit-
tels Neutronenstreuung zur Klärung dieses Rätsels ergaben als ersten Einblick fol-
gendes Bild (Nature 427, 227 (2004)). MnSi ist ein Ferromagnet, dessen magnetische
Momente sich senkrecht zu einer vorgegebenen Ausbreitungsrichtung über eine
Distanz von cirka 20 Gitterperioden, d.h. langsam, um 360° drehen. Man spricht von
einer magnetischen Helix. Die Ausbreitungsrichtung dieser Helix ist bei Umge-
bungsdruck schwach an die Raumdiagonale in der kubischen Kristallstruktur
gebunden. Oberhalb des Drucks von 14600 Atmosphären, also im Bereich der
anomalen metallischen Phase, kann die Ausbreitungsrichtung dagegen in alle mögli-
chen Raumrichtungen zeigen. Die Verteilung der magnetischen Streuintensität in
der Neutronenstreuung ähnelt in diesem Zustand der Streuintensität der kristallinen
Struktur von Flüssigkristallen, genauer gesagt der von Cholesteren. Eine derartige
Verteilung der magnetischen Streuintensität hatte man zuvor nicht gekannt. Sie legt
nahe, das erste Beispiel einer neuen Form von magnetischer Ordnung zu sein, bei
der nur ein Aspekt der charakteristischen Steifheit konventioneller Formen von
magnetischer Ordnung fehlt. Wir bezeichnen sie deshalb als partielle magnetische
Ordnung.
Die aus dieser Entdeckung hervorgegangenen wissenschaftlichen Fragestel-
lungen bestehen nun darin, die Natur der partiellen magnetischen Ordnung in MnSi
genauer zu verstehen, um andere Materialien mit partieller magnetischer Ordnung
zu suchen und über deren langfristige technologische Nutzung nachdenken zu kön-
nen. Sie bestehen weiterhin darin, den Zusammenhang zwischen der partiellen
magnetischen Ordnung und den anomalen Eigenschaften des metallischen Zustands,
der ein Kandidat für eine neue Klasse von Metallen ist, zu entschlüsseln.
 
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