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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2004 — 2004

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I. Das Geschäftsjahr 2004
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Öffentliche Veranstaltungen
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Akademieabend der Landtags und der Heidelberger Akademie der Wissenschaften
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Picker, Eduard: Die Zukunft der Tarifautonomie
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Schmidt, Manfred G.: Vom Nutzen und von den Kosten der Tarifautonomie
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https://doi.org/10.11588/diglit.66960#0095
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29. Januar 2004 | 107

Staates in diesem Bereich nur dort Grenzen setzt, wo diese schon aus der allgemei-
nen Handlungsfreiheit des Individuums folgen.
Die Herkunft der Tarifautonomie bestimmt deren Zukunft: Eine Tarif-
autonomie, die durch die Gewährleistung der Parteiparität die Funktionsfähigkeit des
freien Arbeitsvertrags als des ideellen und realen Bezugspunkts der modernen
Arbeitsverfassung herzustellen und zu erhalten versucht, behält so lange ihre Berech-
tigung, wie die Vertrags- und damit die Marktfähigkeit des Arbeitnehmers wegen
fortbestehender Inparitäten manifest in Frage gestellt ist. Sie hat dagegen mangels
sachlichen Grundes keine Eebensberechtigung mehr, wo die Emanzipation des
Arbeitnehmers zum „Marktbürger“ mit voller „Marktgeschäftsfähigkeit“ allen Indi-
zien nach geglückt ist. Hier verwirklicht die Tarifautonomie ideenkonsequent ihr
Sich-selbst-Überleben durch Zielerreichung und Zweckerfüllung.
MANFRED G. SCHMIDT: „VOM NUTZEN UND VON OEM KOSTEN
DER TARIFAUTONOMIE"
Em Hauptpfeiler der deutschen Wirtschafts- und Sozialpolitik ist die Tarifautonomie.
Sie gibt den Arbeitgeber- und den Arbeitnehmerorganisationen auf, die Entlohnung
der Beschäftigen und die Arbeitsbedingungen eigenverantwortlich auszuhandeln —
ohne Hinzukommen des Staates.
Über die Tarifautonomie wird mittlerweile heftig gestritten. Ihre Befürworter
werten sie als politischen Stabilisator und wirtschaftlichen Standortvorteil. Die Kri-
tiker hingegen sehen in ihr hauptsächlich ein Kartell, das Verträge zu Lasten Dritter
schließt.
1. Von den Vorzügen der Tarifautonomie
Die Tarifautonomie kann sich beachtlicher Erfolge rühmen. Sie verkörpert eine frei-
heitliche Ordnung der Arbeitsbeziehungen. In ihr verhandeln autonome, gegnerfreie
und auf freiwilliger Mitgliedschaft gegründete Interessenorganisationen von Kapital
und Arbeit ihre gemeinsamen Anliegen in fest institutionalisierten Bahnen. Wer dies
mit den autoritären Arbeitsverfassungen in Deutschland vor 1918, zwischen 1933
und 1945 und in der DDR vergleicht, weiß um die Bedeutung dieses Freiheitsge-
winnes. Dass die Tarifautonomie überdies die Integration der Arbeiterschaft und der
Gewerkschaften fordert, erkennen auch ihre Kritiker an. Zudem ermöglicht die
Tarifautonomie im Vergleich zur hierarchischen Lohnpolitik von oben eine relativ
ortsnahe und flexible Regelung von Lohn- und Arbeitsbedingungen. Ferner entla-
stet die Tarifautonomie Parlament und Regierung davon, explosive Themen wie
Entlohnung und Arbeitsbedingungen der abhängig Beschäftigten zu beraten und
über sie zu beschließen. Hierdurch verhindert die Tarifautonomie die Vermischung
und die wechselseitige Aufschaukelung von Verteilungs- und Verfassungsfragen.
2. Von den Kosten der Tarifautonomie
Allerdings sind auch die Nachteile der Tarifautonomie nicht zu übersehen. Die Tarif-
parteien in Deutschland sorgen für komfortable Entlohnung und gesicherte Arbeits-
 
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