Rolf Stümer
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Sprüchen kann. Seminare in Rechtstheorie, Kirchenrecht und anderen Grundlagen-
fächern führten an wissenschaftliches Arbeiten auf hohem Niveau heran, viele Mit-
glieder der Fakultät haben zur internationalen Öffnung der deutschen Rechtswis-
senschaft und ihrer erneuten Akzeptanz nach dem Dritten Reich wesentlich beige-
tragen. Gleichwohl zauderte ich etwas, mich wissenschaftlich zu engagieren und
arbeitete zunächst während meines Referendariats in der Redaktion der Juristenzei-
tung mit, einer renommierten Fachzeitschrift, um dann nach meinem zweiten
Examen als Richter an den Landgerichten Stuttgart und Tübingen praktische Arbeit
zu leisten. Die wissenschaftliche Neigung brach aber dann doch stark durch, und so
nahm ich das verlockende Angebot Fritz Baurs wahr, mich an seinem Institut in
Tübingen im Prozessrecht und Bürgerlichen Recht zu habilitieren. Die Habilitati-
onsschrift über „Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses“ behandelt
das bis heute hochaktuelle Problem der Informationsbeschaffung im Zivilprozess.
Dass diese Thematik später für den andauernden Justizkonflikt zwischen Europa und
den USA als Ausdruck kultureller und gesellschaftlicher Gegensätze bestimmend
sein sollte, war im Jahre der Veröffentlichung, nämlich 1976, nicht absehbar. Die
Arbeit stand trotz rechtsvergleichender Ansätze in der strengen Tradition deutscher
Dogmatik und deutschen Systemdenkens. Diese Art des Arbeitens ist heute im Zeit-
alter rechtsvergleichender Globalisierung einer Abwertung ausgesetzt, die sie nicht
verdient, vielmehr befähigt sie zu Formen internationaler Zusammenarbeit, die
andere Rechtskulturen so nicht ohne weiteres leisten können.
Noch im Jahre der Habilitation, also 1976 mit 33 Jahren, erhielt ich einen Ruf
auf einen Lehrstuhl an der Universität Konstanz, den ich einem Göttinger Angebot
vorzog. Ausschlaggebend waren familiäre Gründe — ich hatte zwischenzeitlich gehei-
ratet, begann eine Familie zu gründen und meine Frau war und ist ebenfalls mit
großem Engagement und Erfolg berufstätig —, aber auch die Verbundenheit mit dem
süddeutschen Kulturraum, der den Besuch von Opern, Konzerten und Schauspiel
auf höchstem Niveau erlaubte. Die folgenden Jahre dienten dem Ausbau meiner tra-
ditionellen Forschungsgebiete im Sachenrecht, Zwangsvollstreckungs- und Insol-
venzrecht und Medienpersönlichkeitsrecht, wo teilweise auch wissenschaftliche
Lehrbücher und Kommentierungen zur Neuauflage und Neubearbeitung anstan-
den, die als Standardwerke von meinem akademischen Lehrer übernommen waren.
Für einen deutschen Rechtswissenschaftlicher ist das Gehör der Praxis — anders als
in den meisten anderen Rechtskulturen — ein gewichtiger Maßstab, und man findet
es bis heute ganz überwiegend durch dogmatisches und systematisches Arbeiten im
nationalen Recht, bleibt dabei allerdings nicht selten in den zeitlichen und nationa-
len Gegebenheiten gegenwärtig geltenden Rechts gefangen. Immerhin war es vor
allem solches Arbeiten, das nach Zwei jahrzehnten zu einer Wertschätzung führte, die
sich in der Wahl zum Gutachter der DFG, zum Vorsitzenden der Vereinigung deut-
scher, schweizerischer und österreichischer Zivilprozessrechtslehrer, zum Mitglied
des Vorstandes des Deutschenjuristentages, der Vereinigung aller deutschen Juristen
mit ihren verschiedenen Berufsgruppen, und zum Mitglied des Vorstandes der Verei-
nigung für Presserecht und Pressefreiheit führten. Einige Werke sind in fremde Spra-
chen übersetzt, zuletzt insbesondere das Lehrbuch zum Sachenrecht ins Chinesische.
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Sprüchen kann. Seminare in Rechtstheorie, Kirchenrecht und anderen Grundlagen-
fächern führten an wissenschaftliches Arbeiten auf hohem Niveau heran, viele Mit-
glieder der Fakultät haben zur internationalen Öffnung der deutschen Rechtswis-
senschaft und ihrer erneuten Akzeptanz nach dem Dritten Reich wesentlich beige-
tragen. Gleichwohl zauderte ich etwas, mich wissenschaftlich zu engagieren und
arbeitete zunächst während meines Referendariats in der Redaktion der Juristenzei-
tung mit, einer renommierten Fachzeitschrift, um dann nach meinem zweiten
Examen als Richter an den Landgerichten Stuttgart und Tübingen praktische Arbeit
zu leisten. Die wissenschaftliche Neigung brach aber dann doch stark durch, und so
nahm ich das verlockende Angebot Fritz Baurs wahr, mich an seinem Institut in
Tübingen im Prozessrecht und Bürgerlichen Recht zu habilitieren. Die Habilitati-
onsschrift über „Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses“ behandelt
das bis heute hochaktuelle Problem der Informationsbeschaffung im Zivilprozess.
Dass diese Thematik später für den andauernden Justizkonflikt zwischen Europa und
den USA als Ausdruck kultureller und gesellschaftlicher Gegensätze bestimmend
sein sollte, war im Jahre der Veröffentlichung, nämlich 1976, nicht absehbar. Die
Arbeit stand trotz rechtsvergleichender Ansätze in der strengen Tradition deutscher
Dogmatik und deutschen Systemdenkens. Diese Art des Arbeitens ist heute im Zeit-
alter rechtsvergleichender Globalisierung einer Abwertung ausgesetzt, die sie nicht
verdient, vielmehr befähigt sie zu Formen internationaler Zusammenarbeit, die
andere Rechtskulturen so nicht ohne weiteres leisten können.
Noch im Jahre der Habilitation, also 1976 mit 33 Jahren, erhielt ich einen Ruf
auf einen Lehrstuhl an der Universität Konstanz, den ich einem Göttinger Angebot
vorzog. Ausschlaggebend waren familiäre Gründe — ich hatte zwischenzeitlich gehei-
ratet, begann eine Familie zu gründen und meine Frau war und ist ebenfalls mit
großem Engagement und Erfolg berufstätig —, aber auch die Verbundenheit mit dem
süddeutschen Kulturraum, der den Besuch von Opern, Konzerten und Schauspiel
auf höchstem Niveau erlaubte. Die folgenden Jahre dienten dem Ausbau meiner tra-
ditionellen Forschungsgebiete im Sachenrecht, Zwangsvollstreckungs- und Insol-
venzrecht und Medienpersönlichkeitsrecht, wo teilweise auch wissenschaftliche
Lehrbücher und Kommentierungen zur Neuauflage und Neubearbeitung anstan-
den, die als Standardwerke von meinem akademischen Lehrer übernommen waren.
Für einen deutschen Rechtswissenschaftlicher ist das Gehör der Praxis — anders als
in den meisten anderen Rechtskulturen — ein gewichtiger Maßstab, und man findet
es bis heute ganz überwiegend durch dogmatisches und systematisches Arbeiten im
nationalen Recht, bleibt dabei allerdings nicht selten in den zeitlichen und nationa-
len Gegebenheiten gegenwärtig geltenden Rechts gefangen. Immerhin war es vor
allem solches Arbeiten, das nach Zwei jahrzehnten zu einer Wertschätzung führte, die
sich in der Wahl zum Gutachter der DFG, zum Vorsitzenden der Vereinigung deut-
scher, schweizerischer und österreichischer Zivilprozessrechtslehrer, zum Mitglied
des Vorstandes des Deutschenjuristentages, der Vereinigung aller deutschen Juristen
mit ihren verschiedenen Berufsgruppen, und zum Mitglied des Vorstandes der Verei-
nigung für Presserecht und Pressefreiheit führten. Einige Werke sind in fremde Spra-
chen übersetzt, zuletzt insbesondere das Lehrbuch zum Sachenrecht ins Chinesische.