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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2004 — 2004

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III. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses: Das WIN-Kolleg
DOI Kapitel:
2. Forschungsschwerpunkt: Kulturelle Grundlagen der Europäischen Einigung
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https://doi.org/10.11588/diglit.66960#0265
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Das WIN-Kolleg | 277

Die konstruktive Dimension zeigte sich dabei insbesondere auf zwei — nicht
notwendig voneinander getrennten — Ebenen:
- Rationalisierung und Medialität. Als ‘Konstruktion’ verstanden, ist ,die Vergan-
genheit’ nicht unabhängig von spezifischen Logiken des Mediums, von Verfertigungs-
strategien (Exzerpieren, Methodologien, Gattungszwängen, verborgenen Strategien),
von verfügbarem und nicht verfügbarem Wissen. Überdies verbindet sie sich gerade
auch in der Vormoderne - obgleich nicht im Sinne neuzeitlicher GeschichtswRen-
scharft - mit Rationalisierungsprozessen, -techmken, -zwängen.
- Politische Kultur. Vergangenheit wird konstruiert, ge-/erfunden, verfertigt,
produziert von spezifischen Akteuren, von Einzelnen oder Gruppen, die in spezifi-
schen institutionellen Konstellationen spezifische Interessen und Handlungsspielräu-
me besitzen. Gerade die Konstruktion von Vergangenheit ist dabei von Herrschaft,
Macht, Hierarchien selten zu trennen: (die Konstruktion von) Vergangenheit legiti-
miert/delegitimiert, reproduziert bestehende Verhältnisse, impliziert Exklusion und
Inklusion. Ihre Konstruktion besitzt somit nicht nur einen politischen Kontext, son-
dern ist selbst Teil symbolisch-politischer Praxis/Sprache/Kommunikation. Eben
dieser Perpektivwechsel erschüttert zum einen allzu monolithische, ‘ideale’ oder
reduktionistische Konzeptionen von‘Gruppenstruktur qua Identität’ (dies jetzt auch
als Forderung für das Paradigma Gedächtnis, Erinnerung bei Assmann/Friese 1998, vgl.
Einleitung, Beitrag Wagner)
In mehreren Arbeitstreffen wurde versucht, auf Grundlage der Ergebnisse und
Horizonte der Tagung und weiterer Diskussionen ein Konzept zu entwickeln, durch
das sich ein spezifisches - und hochrelevantes — Feld europäischer Vergangenheits-
konstruktionen — die frühneuzeitliche historia — auf eine forschungsrelevant neue
Weise erschließen ließ.

III. ,Heuristisch gedachte Alterität’: zum Verhältnis Moderne /Vormoderne
bei der Erforschung von Vergangenheitskonstruktionen
Daß ‘Alterität’ (nicht nur in Bezug auf die Vormoderne) em problematischeres und
weniger einheitliches Konzept ist, als es den Anschein haben mag, haben Vorträge
und Diskussionen klar gezeigt. So wurde etwa davor gewarnt, die Alterität der Vor-
moderne zu postulieren, um darüber eine ‘fortschrittlichere’ Moderne zu profilieren.
Ebenso wurde deutlich, daß sich bei einer spezifischen und verbreiteten Auffassung
der Alterität zwei gedankliche Bewegungen verschränken: die — nicht zuletzt für den
Historismus prägende - Einsicht in die grundlegende Differenz vergangener Epo-
chen; sowie ein teleologisch motiviertes Bestreben, diese Differenz ‘einzuholen’, das
eigene trotz aller Differenz ‘im Fremden’ zu erkennen — und damit auf Modernität
und ein modernes Selbstverständnis verpflichtet zu bleiben.
Demgegenüber soll Alterität im Rahmen des geplanten Tagungsbandes radikal
heuristisch, als analytischer Ausgangspunkt gedacht werden: als apriorisch gesetzte
Differenz soll sie einen unbefangen Blick auf die Spezifik, auf Faktizität und Kon-
texte vormoderner Vergangenheitslogiken ermöglichen — und gerade nicht von vor-
neherein methodische Perspektiven importieren, die:
 
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