II. Wissenschaftliche Vorträge
Katharina Holzinger
„Traditionale Governance in Afrika: Konflikte in Uganda, Kenia,
Namibia und Tansania"
Sitzung der Philosophisch-historischen Klasse am 23. Januar 2015
Weltweit gibt es viele Staaten, in denen ethnische Gruppen ihr inneres politisches
Leben gemäß traditionalen politischen Institutionen (TPI) der kollektiven Ent-
scheidungsfindung, Konfliktlösung und Gerichtsbarkeit regeln. In solchen Staa-
ten koexistieren traditionale Formen der Governance mit modernen staatlichen
Formen. Etwa 57 % der Weltbevölkerung in 63 UN-Mitgliedstaaten leben in
Rechtssystemen, in denen „customary law“ in relevantem Umfang mit anderen
Rechten koexistiert. Neben staatlichem Recht stehen dann eine Reihe indigener
Rechte, z. B. in China, Indien, Lateinamerika und im sub-saharischen Afrika. Die-
ser Rechtspluralismus ist manchmal in der Verfassung, in den zentralen politischen
Institutionen oder dem Verfahrensrecht verankert, in anderen Fällen ist er eine
Realität ohne rechtliche Grundlage.
Besonders ausgeprägt ist dieser Dualismus von modernen Staat und tradi-
tionaler Governance im südlichen Afrika. Dort zeigt sich seit 1990 sogar ein ge-
sellschaftliches, politisches und rechtliches Wiedererstarken der traditionalen
Gemeinschaften. Die regelmäßigen Befragungen des Afrobarometer zeigen, dass
es eine wachsende soziale Bedeutung der „traditional leaders“ gibt, auch wenn
diese über die Teilnehmerstaaten stark variiert. Seit 1990 haben außerdem rund
20 sub-saharische Staaten den verfassungsmäßigen Status der TPI verändert. Das
belegt, dass das Thema eine hohe politische Relevanz besitzt.
Gleichzeitig ist Afrika ein Kontinent, der mit einem hohen Niveau von Ge-
waltkonflikten, großen Schwierigkeiten der Demokratisierung und dauerhaften
Problemen der ökonomischen Entwicklung behaftet ist. Wir verfolgen deshalb das
Ziel herausfinden, welche Konsequenzen die politische und gesellschaftliche Be-
deutung der TPI und der Dualismus politischer Strukturen für das Konfliktniveau,
für die Demokratiefähigkeit und für die ökonomische Entwicklung in Sub-Saha-
ra-Afrika haben. Im von der Deutschen Stiftung Friedensforschung geförderten
Projekt „Traditional Political Institutions in sub-Saharan Africa: Endangering or
Promoting Stahle Domestic Peace?“ stellen wir zwei Fragen:
- Welche Formen der TPI gibt es, welche politische Bedeutung haben sie und wie
sind sie formal und informell integriert?
- Welche Auswirkungen hat das Zusammenspiel von TPI mit dem Staat auf die
Konfliktneigung in diesen Staaten?
35
Katharina Holzinger
„Traditionale Governance in Afrika: Konflikte in Uganda, Kenia,
Namibia und Tansania"
Sitzung der Philosophisch-historischen Klasse am 23. Januar 2015
Weltweit gibt es viele Staaten, in denen ethnische Gruppen ihr inneres politisches
Leben gemäß traditionalen politischen Institutionen (TPI) der kollektiven Ent-
scheidungsfindung, Konfliktlösung und Gerichtsbarkeit regeln. In solchen Staa-
ten koexistieren traditionale Formen der Governance mit modernen staatlichen
Formen. Etwa 57 % der Weltbevölkerung in 63 UN-Mitgliedstaaten leben in
Rechtssystemen, in denen „customary law“ in relevantem Umfang mit anderen
Rechten koexistiert. Neben staatlichem Recht stehen dann eine Reihe indigener
Rechte, z. B. in China, Indien, Lateinamerika und im sub-saharischen Afrika. Die-
ser Rechtspluralismus ist manchmal in der Verfassung, in den zentralen politischen
Institutionen oder dem Verfahrensrecht verankert, in anderen Fällen ist er eine
Realität ohne rechtliche Grundlage.
Besonders ausgeprägt ist dieser Dualismus von modernen Staat und tradi-
tionaler Governance im südlichen Afrika. Dort zeigt sich seit 1990 sogar ein ge-
sellschaftliches, politisches und rechtliches Wiedererstarken der traditionalen
Gemeinschaften. Die regelmäßigen Befragungen des Afrobarometer zeigen, dass
es eine wachsende soziale Bedeutung der „traditional leaders“ gibt, auch wenn
diese über die Teilnehmerstaaten stark variiert. Seit 1990 haben außerdem rund
20 sub-saharische Staaten den verfassungsmäßigen Status der TPI verändert. Das
belegt, dass das Thema eine hohe politische Relevanz besitzt.
Gleichzeitig ist Afrika ein Kontinent, der mit einem hohen Niveau von Ge-
waltkonflikten, großen Schwierigkeiten der Demokratisierung und dauerhaften
Problemen der ökonomischen Entwicklung behaftet ist. Wir verfolgen deshalb das
Ziel herausfinden, welche Konsequenzen die politische und gesellschaftliche Be-
deutung der TPI und der Dualismus politischer Strukturen für das Konfliktniveau,
für die Demokratiefähigkeit und für die ökonomische Entwicklung in Sub-Saha-
ra-Afrika haben. Im von der Deutschen Stiftung Friedensforschung geförderten
Projekt „Traditional Political Institutions in sub-Saharan Africa: Endangering or
Promoting Stahle Domestic Peace?“ stellen wir zwei Fragen:
- Welche Formen der TPI gibt es, welche politische Bedeutung haben sie und wie
sind sie formal und informell integriert?
- Welche Auswirkungen hat das Zusammenspiel von TPI mit dem Staat auf die
Konfliktneigung in diesen Staaten?
35