Metadaten

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2015 — 2016

DOI Kapitel:
A. Das akademische Jahr 2015
DOI Kapitel:
II. Wissenschaftliche Vorträge
DOI Artikel:
Holzinger, Katharina: Traditionale Governance in Afrika: Konflikte in Uganda, Kenia, Namibia und Tansania
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55653#0036
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
II. Wissenschaftliche Vorträge

Dabei ist zu beachten, dass nicht nur die soziale Bedeutung der TPI über die
Länder variiert, sondern auch deren innere Organisationsform und die rechtliche
Integration in den Staat. Bei den traditionalen Organisationsformen sind zwei
Gruppen zu unterscheiden: chieftancy Systems und consensus Systems. Unter ersterem
versteht man Königtümer, die über einen zentralisierten Aufbau verfügen und dem
König unbeschränkte oder durch die Ältesten beschränkte Macht zugestehen. Die
Konsenssysteme findet man in dezentralisierten Ethnien, die sich auf Dorfebene
politisch organisieren und deren Ältestenräte einen größeren Einfluss haben. Eine
Untergruppe bilden die age-set Systems, wo Familienclans sich turnusmäßig in der
Ausübung der Herrschaft abwechseln (etwa bei den Maasai).
Bei der staatlichen Integration sind mindestens fünf Stufen zu unterscheiden:
die Repression oder aktive Assimilation der TPI; die rechtliche Nicht-Beachtung
oder die Nicht-Anerkennung; die formale Anerkennung der Existenz auf ver-
schiedenen Niveaus; die geregelte Koexistenz und Kooperation (durch zugestan-
dene Autonomie, Komplementarität in der Erfüllung staatlicher Aufgaben oder
Formulierung von Kollisionsregeln) und der Versuch der formalen Integration der
Systeme (z. B. durch ein House of Chiefs als Verfassungsorgan).
Vor dem Hintergrund eines bisher schwach ausgeprägten Forschungsstands
wählten wir einen explorativen Ansatz in vier Ländern. Wir wollten herausfmden,
welche Anzeichen es gibt, dass innere Konflikte durch das Zusammenspiel von tra-
ditionalen politischen Gemeinschaften, ihren Institutionen und dem Staat entstehen
oder gemildert werden. Diese wären auf drei Ebenen zu erwarten: innerhalb traditi-
onaler Gemeinschaften, zwischen den Gemeinschaften und zwischen den TPI und
dem Staat. Mögliche Einflussfaktoren bestehen in der sozialen Bedeutung und der
inneren Organisation der TPI sowie in der Art ihrer Integration in den Staat.
Zur Auswahl der Staaten haben wir deshalb Varianz auf diesen Faktoren her-
gestellt. Wir mussten Staaten finden, die im Ausmaß der inneren Konflikte, in der
sozialen Signifikanz der TPI und in ihrer rechtlichen Integration variieren. Au-
ßerdem sollte die politische Organisation einzelner Ethnien abgebildet werden,
indem für jedes Land ein chieftancy und ein consensus System ausgewählt wurde.
Die Feldforschung erfolgte in vier Ländern und acht Ethnien, die diese Be-
dingungen erfüllten: Uganda (Baganda, Ateso), Kenia (Kikuyu, Abawanga), Na-
mibia (Ovambo, Nama), und Tansania (Sukuma, Maasai). Insgesamt führten wir
etwa 140 strukturierte Leitfaden-Interviews mit staatlichen Entscheidungsträgern,
Repräsentanten der traditionalen Systeme (chiefs und eldersf mit Experten und Mit-
gliedern der traditionalen Gemeinschaften. Tatsächlich haben wir Hinweise auf
Konflikte auf allen drei Ebenen gefunden, die sich jedoch in den vier Staaten recht
unterschiedlich darstellen:
- Am stärksten virulent ist der Konflikt zwischen Staat und TPI in Uganda, wo der
Kabaka (König) von Buganda dem Staatspräsidenten mit Abspaltung droht und

36
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften