II. Wissenschaftliche Vorträge
Vergnügen“ angesehen wird und so öffnen die Printmedien gleichzeitig das Tor zu
diesen Vergnügungen und schließen es, moralisierend, wieder.
Was solche alternative bildliche Evidenz, die den Tenor der zunehmenden
auch sehr konkret dargestellten Intimität in Werbung und Karikatur begleitet,
offenlegt ist widersprüchlich und so Zeichen für eine sehr beträchtliche Aufge-
wühltheit in den Köpfen, die Teil einer mentalen historischen Realität der Zeit
ist: die sehr radikalen Veränderungen der Möglichkeiten sein Leben als Mann und
als Frau sowie als Paar zu gestalten, Ideen von freier Liebe, von der Gleichheit
der Geschlechter, sorgen offensichtlich für nicht unerheblichen psychologischen
Stress. Die verstörte Mentalität, die das Resultat ist, wird in diesen Bildern aus-
gedrückt. Gleichberechtigte Intimität im öffentlichen Raum ist, am Ende dieser
Periode, nicht mehr länger sicher religiert in die Zukunft. Im Gegenteil: die wi-
dersprüchlichen Darstellungen suggerieren, dass das implizite (ebenso wie das ak-
tuelle Lesepublikum der Zeit) genau über diese Dinge und Fragen grübelte: die
Fragen, wie genau das Verhältnis zwischen Mann und Frau zu gestalten sein konn-
te, sind Fragen an die Realität der zeitgenössischen Leser. Und auf diese Fragen
gibt die Mixtur von Bildern, die in den Köpfen der Zeitgenossen schwirrte, ganz
unterschiedliche Antworten. Eine eindeutige Politik der Domestizierung der Bil-
der oder gar ihrer didaktischen Gleichschaltung lässt sich hier aber (noch) nicht
erkennen.
2. Entmaterialisierung - Intimität in rezenteren Printmedien Chinas (1940er-2000er)
Betrachtet man nun die chinesischen Printmedien seit den 1940er Jahren, so findet
man zwar, dass das intime Paar nicht verschwindet, dass aber die Darstellungen
desselben sich signifkant verändern und damit neue Bedeutungen, und „norma-
tive Gebote“ geschaffen werden, die die neue Politik von Intimität, die die nun
kommenden Jahrzehnte bestimmen sollte, spiegelt. Durch das Prisma solcher
Darstellungen können wir erkennen, wie Chinas Printmedien historische Realitä-
ten kontinuierlich tangiert und beeinflusst haben.
Springen wir in die Gegenwart, so erkennen wir, dass das intime Paar wohl-
auf ist: dem Leser begegnen Paare, die nebeneinander liegen, die sich vorsichtig
umarmen, manche scheinen den Akt gerade zu beginnen oder eben damit fertig
zu sein. Eine signifikante Veränderung können wir beobachten, wenn wir diese
Bilder mit solchen aus dem frühen 20. Jahrhundert vergleichen: Das „dokumen-
tenechte“ Foto scheint nicht mehr länger ein Grund zu sein, sich nicht zärtlich
zu zeigen: Intimität kann nun direkt vor der Kameralinse ausgespielt werden.
Natürlich kann man sagen, dass diese Offenheit einfach darin begründet sei, dass
es sich hier um Werbung handelt, die größere Grenzüberschreitungen erlaubt als
andere bildliche Genres. Auch könnte man vorbringen, dass dies ja Bilder aus
Franchise Magazines sind, die seit den 1990er Jahren den chinesischen Markt
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Vergnügen“ angesehen wird und so öffnen die Printmedien gleichzeitig das Tor zu
diesen Vergnügungen und schließen es, moralisierend, wieder.
Was solche alternative bildliche Evidenz, die den Tenor der zunehmenden
auch sehr konkret dargestellten Intimität in Werbung und Karikatur begleitet,
offenlegt ist widersprüchlich und so Zeichen für eine sehr beträchtliche Aufge-
wühltheit in den Köpfen, die Teil einer mentalen historischen Realität der Zeit
ist: die sehr radikalen Veränderungen der Möglichkeiten sein Leben als Mann und
als Frau sowie als Paar zu gestalten, Ideen von freier Liebe, von der Gleichheit
der Geschlechter, sorgen offensichtlich für nicht unerheblichen psychologischen
Stress. Die verstörte Mentalität, die das Resultat ist, wird in diesen Bildern aus-
gedrückt. Gleichberechtigte Intimität im öffentlichen Raum ist, am Ende dieser
Periode, nicht mehr länger sicher religiert in die Zukunft. Im Gegenteil: die wi-
dersprüchlichen Darstellungen suggerieren, dass das implizite (ebenso wie das ak-
tuelle Lesepublikum der Zeit) genau über diese Dinge und Fragen grübelte: die
Fragen, wie genau das Verhältnis zwischen Mann und Frau zu gestalten sein konn-
te, sind Fragen an die Realität der zeitgenössischen Leser. Und auf diese Fragen
gibt die Mixtur von Bildern, die in den Köpfen der Zeitgenossen schwirrte, ganz
unterschiedliche Antworten. Eine eindeutige Politik der Domestizierung der Bil-
der oder gar ihrer didaktischen Gleichschaltung lässt sich hier aber (noch) nicht
erkennen.
2. Entmaterialisierung - Intimität in rezenteren Printmedien Chinas (1940er-2000er)
Betrachtet man nun die chinesischen Printmedien seit den 1940er Jahren, so findet
man zwar, dass das intime Paar nicht verschwindet, dass aber die Darstellungen
desselben sich signifkant verändern und damit neue Bedeutungen, und „norma-
tive Gebote“ geschaffen werden, die die neue Politik von Intimität, die die nun
kommenden Jahrzehnte bestimmen sollte, spiegelt. Durch das Prisma solcher
Darstellungen können wir erkennen, wie Chinas Printmedien historische Realitä-
ten kontinuierlich tangiert und beeinflusst haben.
Springen wir in die Gegenwart, so erkennen wir, dass das intime Paar wohl-
auf ist: dem Leser begegnen Paare, die nebeneinander liegen, die sich vorsichtig
umarmen, manche scheinen den Akt gerade zu beginnen oder eben damit fertig
zu sein. Eine signifikante Veränderung können wir beobachten, wenn wir diese
Bilder mit solchen aus dem frühen 20. Jahrhundert vergleichen: Das „dokumen-
tenechte“ Foto scheint nicht mehr länger ein Grund zu sein, sich nicht zärtlich
zu zeigen: Intimität kann nun direkt vor der Kameralinse ausgespielt werden.
Natürlich kann man sagen, dass diese Offenheit einfach darin begründet sei, dass
es sich hier um Werbung handelt, die größere Grenzüberschreitungen erlaubt als
andere bildliche Genres. Auch könnte man vorbringen, dass dies ja Bilder aus
Franchise Magazines sind, die seit den 1990er Jahren den chinesischen Markt
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