Fedor Jelezko
vorsichtigen Relativierungen. Eben in dieser Setzung des Außerordentlichen und
zugleich spürbar bleibenden fragilen Vorsicht, in dieser ganz und gar unspektaku-
lären Formulierung des Spektakulären, erweisen sich die Lieder nicht als Zeug-
nisse ,ursprünglicher Naturhaftigkeit4, sonder als Zeugnisse eines kulturellen
Umbruchs und dessen impliziten, oft irritierenden Spannungen.
Deutlich werden kann so, dass der ästhetische Reiz sowie das historische Ge-
wicht des frühesten Minnesangs in seinen noch vielfach tastend additiven Ver-
fahren, seiner ungeschliffenen Parataktik der Perspektiven und Stimmen, d. h. in
seiner konzeptuellen Heterogenität liegen. D. h. gerade durch seine vergleichs-
weise offen vorliegenden sprachlichen Inkohärenzen und Verwerfungen wird der
früheste Minnesang zum ausgezeichneten Dokument und Agens einer sich erst
konstituierenden Kultur, deren Ansprüche selbst divergent, deren Ordnungssyste-
me konkurrierend sind. Nicht die ,Einfachheit4 und ,Unschuld4, sondern die Plu-
ralität ganz disparater Stimmen sowie die Polyphonie an Möglichkeiten zeichnen
somit die früheste deutschsprachige Lyrik aus.
In dieser Perspektivierung aber kann allererst deutlich werden, dass Plurali-
tät4 und ,Diversität4 nicht nur als Faktoren kultureller Ausdifferenzierung etablier-
ter Traditionen, sondern ebenso als maßgeblich stimulierende Potentiale junger
Kulturen am Beginn von Traditionsbildungen in Anschlag zu bringen sind. Die
wechselseitige produktive Spannung von ,Autorität und Pluralisierung4 ist nicht
erst Signum der Frühen Neuzeit, sie zeigt sich in den agonalen Strukturen der
Auseinandersetzung und Genese etwa auch der volkssprachigen Lyrik des 12. Jahr-
hunderts. Modelle einer solchen Pluralität haben mit einem natural-diachronen
Konzept von Keim und Blüte wenig zu tun, lenken den Blick eher auf die agonal-
synchronen Strukturen der Polyphonie von sozialen, religiösen, politischen Stim-
men und Gegenstimmen. Wenn das in diesem Sinn Vielstimmige und Agonale,
wie die jüngste Kreativitätsforschung betont, notwendiges Stimulans kultureller
Aufbrüche ist, bietet eben dieser Zusammenhang nicht nur den Schlüssel für ein
verändertes historisches Verständnis des frühen Minnesangs. Er bietet ebenso -
und dies wird wichtiger sein - die Vorlage für eine Zukunftsperspektive, die denn
doch von Zuversicht getragen sein könnte.
Fedor Jelezko
„Diamant-Quantensensoren"
Sitzung der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse am 17. Juli 2015
Dieser Vortrag stellte moderne Nanotechnologien vor, die auf einzeldotierten Di-
amanten basieren. Er betonte die Bedeutung von Quanten-Sensorik, Quanten-
Informationsverarbeitung und Quanten-Kryptographie für die moderne Gesell-
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vorsichtigen Relativierungen. Eben in dieser Setzung des Außerordentlichen und
zugleich spürbar bleibenden fragilen Vorsicht, in dieser ganz und gar unspektaku-
lären Formulierung des Spektakulären, erweisen sich die Lieder nicht als Zeug-
nisse ,ursprünglicher Naturhaftigkeit4, sonder als Zeugnisse eines kulturellen
Umbruchs und dessen impliziten, oft irritierenden Spannungen.
Deutlich werden kann so, dass der ästhetische Reiz sowie das historische Ge-
wicht des frühesten Minnesangs in seinen noch vielfach tastend additiven Ver-
fahren, seiner ungeschliffenen Parataktik der Perspektiven und Stimmen, d. h. in
seiner konzeptuellen Heterogenität liegen. D. h. gerade durch seine vergleichs-
weise offen vorliegenden sprachlichen Inkohärenzen und Verwerfungen wird der
früheste Minnesang zum ausgezeichneten Dokument und Agens einer sich erst
konstituierenden Kultur, deren Ansprüche selbst divergent, deren Ordnungssyste-
me konkurrierend sind. Nicht die ,Einfachheit4 und ,Unschuld4, sondern die Plu-
ralität ganz disparater Stimmen sowie die Polyphonie an Möglichkeiten zeichnen
somit die früheste deutschsprachige Lyrik aus.
In dieser Perspektivierung aber kann allererst deutlich werden, dass Plurali-
tät4 und ,Diversität4 nicht nur als Faktoren kultureller Ausdifferenzierung etablier-
ter Traditionen, sondern ebenso als maßgeblich stimulierende Potentiale junger
Kulturen am Beginn von Traditionsbildungen in Anschlag zu bringen sind. Die
wechselseitige produktive Spannung von ,Autorität und Pluralisierung4 ist nicht
erst Signum der Frühen Neuzeit, sie zeigt sich in den agonalen Strukturen der
Auseinandersetzung und Genese etwa auch der volkssprachigen Lyrik des 12. Jahr-
hunderts. Modelle einer solchen Pluralität haben mit einem natural-diachronen
Konzept von Keim und Blüte wenig zu tun, lenken den Blick eher auf die agonal-
synchronen Strukturen der Polyphonie von sozialen, religiösen, politischen Stim-
men und Gegenstimmen. Wenn das in diesem Sinn Vielstimmige und Agonale,
wie die jüngste Kreativitätsforschung betont, notwendiges Stimulans kultureller
Aufbrüche ist, bietet eben dieser Zusammenhang nicht nur den Schlüssel für ein
verändertes historisches Verständnis des frühen Minnesangs. Er bietet ebenso -
und dies wird wichtiger sein - die Vorlage für eine Zukunftsperspektive, die denn
doch von Zuversicht getragen sein könnte.
Fedor Jelezko
„Diamant-Quantensensoren"
Sitzung der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse am 17. Juli 2015
Dieser Vortrag stellte moderne Nanotechnologien vor, die auf einzeldotierten Di-
amanten basieren. Er betonte die Bedeutung von Quanten-Sensorik, Quanten-
Informationsverarbeitung und Quanten-Kryptographie für die moderne Gesell-
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