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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2015 — 2016

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A. Das akademische Jahr 2015
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III. Veranstaltungen
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Grätz, Katharina: Nietzsche zwischen Philosophie und Literatur: von der Fröhlichen Wissenschaft zu Also sprach Zarathustra
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https://doi.org/10.11588/diglit.55653#0123
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Tagung „Nietzsche zwischen Philosophie und Literatur'

verstehen sei, und leistete einen typologischen Überblick über Formen und Funk-
tionen von Dialogen in Nietzsches Texten der 1880er Jahre.
Als Experimental-Metaphorik bestimmte Barbara Neymeyr (Klagenfurt) die
ebenso intensive wie extensive sprachliche Bildlichkeit, die Nietzsches Schreib-
stil charakterisiert und wesentlich verantwortlich ist für seinen Ruf als ,Dichter-
Philosoph4. Neymeyr arbeitete Leitmetaphern der Fröhlichen Wissenschaft heraus,
erläuterte sie in ihrer Bedeutung und ihrem Zusammenhang und legte damit dar,
wie sehr das auf den ersten Blick disparate Werk durch zentrale Motive organisiert
ist. Deutlich wurde damit zugleich, wie stark Nietzsches Denken an die produkti-
ve Verwendung von rhetorischen Figuren gebunden und damit wesentlich als auch
als Sprach-Kunst zu verstehen ist.
Ein von der bisherigen Forschung weitgehend vernachlässigtes Thema fokus-
sierte Duncan Large (Norwich) mit seinen Ausführungen zu Nietzsche als Lite-
raturkritiker. Am konkreten Beispiel der englischen Literatur demonstrierte Large
Nietzsches Rezeption literarisch-fiktionaler Werke. Neben der Kenntnis und Er-
wähnung einzelner Autoren und Werke spielte dabei auch Nietzsches Literatur-
Begriff eine Rolle, der freilich, wie Large betonte, häufig von Vorbehalten und
Ablehnung bestimmt ist.
Den Abschlussvortrag der Tagung hielt Werner Frick (Freiburg), der Nietzsches
lyrische Selbstporträts betrachtete. Im Zentrum standen dabei prominente Gedichte
wie Sils-Maria und vor allem das ,Venedig-Gedichf An der Brücke stand das Frick
in der Tradition des lyrischen Selbstporträts verortete, mit Gedichten von Platen
und Rilke kontrastierte, und überdies in seiner intermedialen Bezugnahme auf
Chopins Nocturnes vor Augen führte.
Die Vielfalt der Fragestellungen und Forschungsperspektiven ermöglichte
eine breite und facettenreiche Erschließung des Tagungsthemas. Diskutiert wur-
de nicht nur, auf welche Weise Nietzsche das traditionsreiche Verhältnis von
Denken und Dichten neu bestimmte, sondern überdies auch, was für konkrete
Auswirkungen die Grenzüberschreitung zwischen Dichtung und Philosophie
für die Interpretation seines Werks hat und welche methodischen Konsequenzen
daraus zu ziehen sind. Die Frage nach der spezifischen Leistung von Nietzsches
,poetischen4 Verfahrensweisen, insbesondere von Narrativität, Dialogizität und
Intertextualität, von imitatorischen, parodistischen und satirischen Darstellungs-
formen, von allegorischen, metaphorischen und vielfältigen rhetorischen Ge-
staltungsmitteln kam ebenso zur Sprache wie die Positionierung Nietzsches zu
Literatur und Philologie sowie sein produktiver Umgang mit ihnen. Insgesamt
hat die Konferenz gezeigt, wie ergiebig eine Auseinandersetzung mit Nietzsche
sein kann, die sich nicht disziplinär auf den philosophischen Gehalt seines Den-
kens verengt, sondern in inter- und transdisziplinärer Offenheit die literarische
Darstellungsform dieses Denkens (mit)rcflektiert. Ein Sammelband, der die Er-

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