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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2015 — 2016

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C. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
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II. Das WIN-Kolleg
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Sechster Forschungsschwerpunkt „Messen und Verstehen der Welt durch die Wissenschaft“
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7. Quantifizierung und Operationalisierung der Verhältnismäßigkeit von internationalen und interlokalen Sanktionen
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https://doi.org/10.11588/diglit.55653#0274
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7. Verhältnismäßigkeit von internationalen Sanktionen (WIN-Programm)

tenden Wirtschaftsverkehrs ist auch die Bedeutung grenzüberschreitender staaten-
bezogener Sanktionen gestiegen. Die Aktualität zeigte sich im Jahr 2015 an den
Sanktionen in Bezug auf Russland, den Iran und Kuba.
Die rechtlichen Grundlagen und Grenzen von Sanktionen sind bis dato je-
doch noch unzureichend geklärt. Traditionelle Ansätze, welche die formale Staa-
tensouveränität und das Interventionsverbot zur Grundlage haben, konnten keine
effektiven rechtlichen Schranken entwickeln. Neuere völkerrechtliche Entwick-
lungen stellen das Individuum in den Vordergrund, materialisieren die Souve-
ränität mit menschenrechtlichen Schutzpflichten und stellen die Frage nach der
Verhältnismäßigkeit. Zugleich versuchen die Politikwissenschaft und die Ökono-
mie die Wirkweise von Sanktionen durch empirische Daten und Modelle zu erfas-
sen und zu bewerten. Kann ein menschenrechtlich geprägtes und interdisziplinär
informiertes Völkerrecht effektive rechtliche Maßstäbe für staatenbezogene Sank-
tionen bilden?
2. Verhältnismäßigkeit messen - Zwischenergebnisse
Eine wichtige Teilfragestellung ist die Operationalisierung des Verhältnismäßig-
keitsprinzips, bei der Schutzpflichten zu Gunsten der Bürger eines Staates mit den
Eingriffsfolgen für die Bürger des anderen Staates abzuwägen sind. Die juristi-
sche Methodik bedient sich dabei einer Argumentationstechnik, mit der die Be-
lange strukturiert und mit natürlich-sprachlichen Attributen (z. B. „geringfügig“/
„mitter7„schwer“) bewertet werden. Die Politikwissenschaft und die Ökonomie
quantifizieren hingegen die Auswirkungen der Sanktionen. Wie bereits im Vor-
jahresbericht dargestellt, bestehen jedoch erhebliche Zweifel an der Aussagekraft
der Zahlen. Objektivierte Messgrößen wie das Bruttosozialprodukt leiden unter
Mess- und Prognoseungenauigkeiten, andere Zahlen bilden mangels objektivier-
barer Größen subjektive Wertungen ab und vermitteln eine „Scheingenauigkeit“.
Dennoch haben sie großen Einfluss auf die Politik.
Ein erstes Zwischenergebnis wurde in der Sitzung des Kollegs im Juni 2015
gezogen. In einem gemeinsamen Vortrag zusammen mit dem politikwissen-
schaftlichen Kollegiaten Markus Prutsch wurden die Chancen und Risiken der
Quantifizierung für die Politikberatung einerseits und für die Rechtsanwendung
andererseits ausgelotet. Politik und Recht sind diesbezüglich in mehrfacher Hin-
sicht vergleichbar. Sie haben beide den Ausgleich verschiedener Willens- und
Freiheitssphären zum Gegenstand und argumentieren mit Werten und Prinzi-
pien.
Die Politik ist nicht nur „zahlenhörig“, sondern auch „rechtshörig“: juristi-
sche Argumente sind im politischen Diskurs beliebt, um eine Position politisch
unangreifbar zu machen. Dies weist darauf hin, dass sich die juristische Argu-
mentationstechnik durch eine besondere Formalisierung auszeichnet, welche

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