D. Antrittsreden, Nachrufe, Organe, Mitglieder
Altertumswissenschaften. Lange Zeit war ich sicher, eher der Politikwissenschaft
folgen zu wollen, in der historisch-affinen Ausrichtung bei Klaus von Beyme und
zumal der vergleichenden Analyse von Manfred G. Schmidt. Letzterem verdanke
ich die erste intensive Begegnung mit der komparativen Methode, die mich seit-
dem nicht mehr wirklich losgelassen hat. Mir wurde klar, dass der Vergleich eine
maßgebliche analytische Methode ist, um Thesen für einen historischen Fall oder
eine Konstellation zu überprüfen, Konvergenz und Divergenz zu unterscheiden
und so die historischen Sonderwege, Exzeptionalismen und Meistererzählungen
zu hinterfragen und wo nötig zu dekonstruieren.
Von den Historikern in Heidelberg lernte ich anderes: von dem Conze-Schü-
ler Werner Giesseimann und dann zumal von meinem Doktorvater Volker Sellin
das Handwerk der historischen Untersuchung, der sauberen Argumentation, die
Verknüpfung von Sozial- und Begriffsgeschichte, die Entdeckung des sehr langen
19. Jahrhunderts, das die Brücken schlägt in die Frühe Neuzeit und das 20. Jahr-
hundert. Allmählich schälte sich in meiner wissenschaftlichen Sozialisation neben
dem Vergleich ein zweiter Strang heraus: die Auseinandersetzung mit geschichtli-
cher Sprache, mit historischer Semantik, mit der Veränderung von Bedeutung in
politisch-sozialen Vokabularen.
Meine Heidelberger Dissertation 1998 nahm beide Stränge auf, den europäi-
schen Vergleich und den Fokus auf die historische Semantik in der reichen Heidel-
berger Tradition von Werner Conze und Reinhart Koselleck. Das Ergebnis war ein
vierfacher Blick auf die Genese des modernen Begriffs ,Liberalismus4 in der po-
litisch-sozialen Sprache Frankreichs, Großbritanniens, Deutschlands und Italiens
zwischen 1750 und 1850. Die langen Forschungsaufenthalte in London, Paris und
Rom verstärkten mein Interesse an breit angelegten historischen Vergleichsun-
tersuchungen zur Geschichte des langen 19. Jahrhunderts. Angesichts des in den
Gutachten vermerkten „unschicklichen Umfangs“ des Dissertationsmanuskripts
versprach ich Besserung in künftigen Büchern; an der Erfüllung des Versprechens
arbeite ich weiterhin, bislang aber weitgehend vergebens.
Eine in Aussicht stehende Assistenz schlug ich 1998 aus, als meine Bewer-
bung um ein Research Fellowship an der Universität Oxford erfolgreich war.
So verbrachte ich persönlich sehr glückliche und wissenschaftlich sehr prägende
fünf Jahre in Oxford. Mein Deputat umfasste wenige Wochen nach meinem eige-
nen Rigorosum klassische Tutorials mit einem oder zwei Studierenden, „gradu-
ate teaching“ und eigene Vorlesungen. Jetzt lernte ich die als Student genossene
Stärke der klassischen Oxford-Colleges, jene einmalige Betreuungssituation im
wöchentlichen Essay und Tutorial, von der anderen Seite kennen. Und ich selbst
habe ganz sicher in den meisten Tutorials mehr gelernt als die eigenen Studenten,
die mir in Lektüren und Argumenten stets dicht auf den Fersen blieben. Oxford,
die Modern History Faculty und Wadham College, sind Fixpunkte für mich ge-
blieben: zumal in der erfahrenen Kommunität der Fellows aus allen Fächern, in
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Altertumswissenschaften. Lange Zeit war ich sicher, eher der Politikwissenschaft
folgen zu wollen, in der historisch-affinen Ausrichtung bei Klaus von Beyme und
zumal der vergleichenden Analyse von Manfred G. Schmidt. Letzterem verdanke
ich die erste intensive Begegnung mit der komparativen Methode, die mich seit-
dem nicht mehr wirklich losgelassen hat. Mir wurde klar, dass der Vergleich eine
maßgebliche analytische Methode ist, um Thesen für einen historischen Fall oder
eine Konstellation zu überprüfen, Konvergenz und Divergenz zu unterscheiden
und so die historischen Sonderwege, Exzeptionalismen und Meistererzählungen
zu hinterfragen und wo nötig zu dekonstruieren.
Von den Historikern in Heidelberg lernte ich anderes: von dem Conze-Schü-
ler Werner Giesseimann und dann zumal von meinem Doktorvater Volker Sellin
das Handwerk der historischen Untersuchung, der sauberen Argumentation, die
Verknüpfung von Sozial- und Begriffsgeschichte, die Entdeckung des sehr langen
19. Jahrhunderts, das die Brücken schlägt in die Frühe Neuzeit und das 20. Jahr-
hundert. Allmählich schälte sich in meiner wissenschaftlichen Sozialisation neben
dem Vergleich ein zweiter Strang heraus: die Auseinandersetzung mit geschichtli-
cher Sprache, mit historischer Semantik, mit der Veränderung von Bedeutung in
politisch-sozialen Vokabularen.
Meine Heidelberger Dissertation 1998 nahm beide Stränge auf, den europäi-
schen Vergleich und den Fokus auf die historische Semantik in der reichen Heidel-
berger Tradition von Werner Conze und Reinhart Koselleck. Das Ergebnis war ein
vierfacher Blick auf die Genese des modernen Begriffs ,Liberalismus4 in der po-
litisch-sozialen Sprache Frankreichs, Großbritanniens, Deutschlands und Italiens
zwischen 1750 und 1850. Die langen Forschungsaufenthalte in London, Paris und
Rom verstärkten mein Interesse an breit angelegten historischen Vergleichsun-
tersuchungen zur Geschichte des langen 19. Jahrhunderts. Angesichts des in den
Gutachten vermerkten „unschicklichen Umfangs“ des Dissertationsmanuskripts
versprach ich Besserung in künftigen Büchern; an der Erfüllung des Versprechens
arbeite ich weiterhin, bislang aber weitgehend vergebens.
Eine in Aussicht stehende Assistenz schlug ich 1998 aus, als meine Bewer-
bung um ein Research Fellowship an der Universität Oxford erfolgreich war.
So verbrachte ich persönlich sehr glückliche und wissenschaftlich sehr prägende
fünf Jahre in Oxford. Mein Deputat umfasste wenige Wochen nach meinem eige-
nen Rigorosum klassische Tutorials mit einem oder zwei Studierenden, „gradu-
ate teaching“ und eigene Vorlesungen. Jetzt lernte ich die als Student genossene
Stärke der klassischen Oxford-Colleges, jene einmalige Betreuungssituation im
wöchentlichen Essay und Tutorial, von der anderen Seite kennen. Und ich selbst
habe ganz sicher in den meisten Tutorials mehr gelernt als die eigenen Studenten,
die mir in Lektüren und Argumenten stets dicht auf den Fersen blieben. Oxford,
die Modern History Faculty und Wadham College, sind Fixpunkte für mich ge-
blieben: zumal in der erfahrenen Kommunität der Fellows aus allen Fächern, in
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