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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2015 — 2016

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D. Antrittsreden, Nachrufe, Organe und Mitglieder
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II. Nachrufe
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Debatin, Klaus-Michael: Theodor M. Fliedner (1.10.1929 – 10.11.2015)
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https://doi.org/10.11588/diglit.55653#0354
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Nachruf auf Theodor M. Fliedner

der kulturellen Entwicklung angehören. Durch seine Laufbahn hindurch war
er immer wieder dankbar, Mitglied dieser Scientific Community, des „Invisible
College“ zu sein, er hat bereits während seines Medizinstudiums in Göttingen
und dann in Heidelberg seine Studienzeit als Studium Generale empfunden, in
denen Experimentalphysik und Philosophie die lebenswichtigen Ergänzungen des
Medizinstudiums waren.
Bereits ab 1953 in Heidelberg hat er sich mit Störungen und Schädigungen
des Knochenmarks oder der Blutbildung durch Strahlen befasst. Seine akademi-
schen Lehrer haben ihn zur Hämatologie geführt und sein insgesamt fünfjähriger
Forschungsaufenthalt in den USA hat ihn dann mit den wissenschaftlichen und
klinischen Größen der Hämatologie, der Wissenschaft vom Blut, zusammenge-
führt. Dort hat er auch erstmalig die umfassende Integration von Forschung, Kran-
kenversorgung und Lehre am Brookhaven National Laboratory kennengelernt, in
dem es die Maxime gab: „Die einzige Rechtfertigung für unser Zentrum und damit
für uns selbst ist die wissenschaftliche Produktivität“. Er hat seine wissenschaft-
liche Ausbildung in Hämatologie mit der Inneren Medizin verknüpft und sich
nach seiner Rückkehr nach Deutschland in Freiburg bei dem damaligen „Papst“
der deutschen Hämatologie, Ludwig Heilmeyer, dem späteren Gründungsrek-
tor der Universität Ulm, habilitiert. Die Vision eines integrierten Zentrums, bei
dem Kliniker und Grundlagenforscher eng Zusammenarbeiten, hat er mit nach
Ulm gebracht und er wurde der erste Professor am damaligen Zentrum für Kli-
nische Grundlagenforschung. Die Sektoren übergreifende Zusammenarbeit war
in Deutschland damals unbekannt und Theodor Fliedners Konzept war in dieser
Hinsicht richtungsweisend. Immer wieder Grenzen überschreiten, Schnittstellen
suchen, das war sein Anliegen.
Es gibt wenige Arzte und Wissenschaftler, deren CEuvre einen durchgehen-
den Fokus über Jahrzehnte hat. Bei Theodor Fliedner, dem persistenten Visionär,
war dies der Fall. Er hat von vorneherein nur über das Blut geforscht und hat diese
Forschung mit zahlreichen Etiketten des „zum ersten Mal“ gekrönt. Die ersten
Arbeiten des 25-Jährigen 1954 und 1955 befassten sich bereits mit Knochenmark-
schädigung, Knochenmarkstruktur und regenerativen Prozessen des Knochen-
marks. Diese Bindung an ein wissenschaftliches Thema hat ihn über die ganze
Zeit seiner wissenschaftlichen Karriere bis hin zu den Erfolgen in der Charakteri-
sierung von Blutstammzellen und der Entwicklung der Stammzell-transplantation
als durchgehender roter Faden begleitet, von dem er nie auch nur einen Milli-
meter abgewichen ist. Theodor Fliedner hat zum ersten Mal 1979 gezeigt, wie
man die blutbildenden Systeme in ihrer Kinetik, also in der Geschwindigkeit ihrer
Erneuerung, verfolgen kann. Er hat in den 70er Jahren für seine Forschungsar-
beiten den Grundstein dafür gelegt, dass wir mit Blutstammzellen, die aus dem
zirkulierenden Blut gewonnen werden können, Patienten behandeln können. So
wurde von seinem Schüler Martin Körbling und den von Theodor Fliedner ent-

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