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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 2): Schriften der Jahre 1524 - 1528 — Gütersloh, 1962

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https://doi.org/10.11588/diglit.29139#0105
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SCHRIFTEN DER JAHRE 1524-1528

Gleichsam hetten sye erstritten, das der hauff für den sye fechten, die
Kirch Christi were da noch weyt hyn ist. Es mag aber nun ein yeder
auch des allerkleinesten verstands offentlich sehen, wie kindisch und
thorechtes argument es sey. |

H 2 b Ich will yetzt lassen bleiben, das der Treger Lucam und Marcum nit 5
Apostolen will lassen sein, gleichsam kein Apostolen weren dann die
zwölff, so sich doch Paulus, der dißer zwölff keiner gewesen, sich allent-
halb ein Apostolen schreibt 161. Desgleichen Epaphroditon und an-
dere 162. Ich will mich auch des spruchs Augustini nit hoch annemen,
dann ich christgläubig und nit Augustingläubig sein soll. Er auch selb, 10
der heylig vatter, will nit, das man seinen schreiben glauben geben, wo
er es mitt der schrifft nit beweret 163. Das hat er hye nit thon. Darumb
lassz ich yn sagen: Ich glaub dem Evangelio nit, mich ermant dann
darzu das ansehen der gemeynen Kirchen 164, und sag ich: Ich glaubte
der Kirchen nit, ja wisszt nit, das ein Kirch Christi were, ich glaubte, 15
dann dem Evangelio, uß demselbigen hab ich gelert, das Christus uns
arme sünder hat angenommen und ym ein geliebte gemeyn druß ge-
macht, die er täglich heyliget, das er sye ym darstelle ein herrliche Ge-
meyn. etc. Ephes. v. [26f].

Ich syh auch noch kein von alten oder jungen, ja auch den Treger 20
selber anders beweren, das ein Kirch sey und von Christo in alle worheit
geleytet werde dann durch die schrifft und Evangelia. Darumb mussz
ich ye ee glauben der schrifft und dem Evangelio, ee ich wissen kan,
ob ein Kirch sey. Ich schweig, das ich sye für ein meysterin meins
glaubens künde erkennen. Darüber schelt mich der Treger wie er wöll, 25
unwissend, untrewe, ungläubig und wies ym gefelt, es hat mich mancher
böser bub mit lugen mer gescholten. Es ist vil besser Augustinum dann
Christum zu verlassen. Ich kan mir auch nit lassen gefallen, das man die
wort Augustini, die doch on allen grundt der schrifft geredt seind, vast

161. Die Begriffserweiterung des kirchlichen Würdetitels »Apostel«, der bei
Paulus anders als etwa bei Lukas nicht auf den Zwölferkreis beschränkt ist,
sondern die von dem Auferstandenen autorisierten Sendboten des Evangeliums
bezeichnet, geht, von der Selbstbezeichnung des Apostels Paulus abgesehen,
besonders auch aus I Cor 9,1 hervor. Zum sachlichen Problem vgl. G. Kittel:
Theologisches Wörterbuch I, S. 421 ff.

162. Vgl. Phil 2,25.

163. MPL 42,284; 44,381; 41,318. 646f u. ö. Vgl. auch Corpus Iuris Canonici
Pars I, dist. IX passim, ed. Friedberg, Sp. 16 ff.

164. Vgl. oben, S. 94, Par 27 - B. hatte sich bereits in seinem Expose über die
lutherische Theologie mit diesem Augustinwort auseinanderzusetzen, vgl. Band 1,
S. 314. Vgl. übrigens auch die Anm. 145 auf S. 91. Auch Luther mußte wieder-
holt zu dieser pointierten Aussage des geachteten Kirchenvaters Stellung nehmen,
unter anderem auch in seinen »Resolutiones super propositionibus suis Lipsiae
disputatis« (WA 2,429ff.).
 
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