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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2001 — 2002

DOI Kapitel:
I. Das Geschäftsjahr 2001
DOI Kapitel:
Gesamtsitzung am 10. Februar 2001
DOI Artikel:
Honerkamp, Josef: Antrittsrede vom 10. Februar 2001
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.66350#0030
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10. Februar 2001

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man bedenkt, dass die Komplexität der experimentellen Methoden immer größer
wird, dass immer mehr und mit immer größerem Aufwand gemessen wird, und dass
dieser Aufwand nur gerechtfertigt ist, wenn die Ergebnisse auch adäquat mit den
besten mathematischen Methoden analysiert und interpretiert werden, dann leuchtet
ein, dass dieses Gebiet, in dem Physik, Informatik und Mathematik zusammenfließen,
eine Zukunft hat. Einige meiner jungen Mitarbeiter haben das auch schnell erkannt,
und haben, wie das heute ja durchaus üblich ist, eine Firma gegründet. Sie haben dabei
zunächst die im FDM entwickelten Methoden in Zusammenarbeit mit Firmen aus der
Medizintechnik verwertet. Inzwischen haben sie wirklich erlebt, welche dominante
Rolle die Qualität der Datenanalyse für die Konkurrenzfähigkeit gerade im kommer-
ziellen Sektor spielt, und sie haben gelernt, dass man mit einer solchen Kompetenz im
Rücken auch die Produktion der Hardware für ein Produkt durch Zukauf oder Grün-
dung von entsprechenden Firmen organisieren kann, so dass sie jetzt schon in ganz
anderen Größenordnungen planen und agieren.
Die Probleme, mit denen wir uns in Zusammenarbeit mit den Klinikern beschäfti-
gen, haben natürlich alle einen Bezug zu bestimmten großen Krankheiten. Die Fragen
sind z.B.: Wie kann man aus den in einem Tremor-Labor gemessenen Daten für die
Beschleunigung der Hand auf die Art des Tremors schließen und wie kann man aus
Korrelationen zwischen diesen Messungen und EEG- sowie EMG-Daten etwas über
den Generierungsmechanismus des jeweiligen Tremors lernen? Oder: Kann man aus
invasiven EEG-Daten bei Epileptikern eine Größe extrahieren, die eine Vorhersage
des nächsten Anfalls erlaubt?
Während wir im FDM hauptsächlich mit Medizinern Zusammenarbeiten, geht es im
FMF, dem Freiburger Materialforschungszentrum, in Zusammenarbeit mit Chemi-
kern und Festkörperphysikern um die Interpretation der Daten aus den verschieden-
sten physikalischen Messmethoden wie Lichtstreuung, FTIR-Messungen oder aus
rheologischen Messungen. Hier treten meistens sogenannte schlecht gestellte ‘Inverse
Probleme’ auf, die man erst durch Einbringen eines geeignet mathematisch aufbereite-
ten Vorwissens lösen kann.
Aber nicht nur die Verbesserung der Analyse verschiedenster wichtiger Messme-
thoden ist dort die Aufgabe, sondern auch die Korrelation der Daten aus verschiede-
nen Messverfahren. Letztlich will man neue Materialien finden, mit verbesserten
Eigenschaften hinsichtlich Gewicht oder Energieverbrauch bei der Synthese z.B., und
man möchte wissen, welche Polymere man unter welchen äußeren Bedingungen und
mit welchem Katalysator reagieren lassen sollte, um Substanzen mit den gewünschten
Eigenschaften zu bekommen. Theoretisch ist das nicht zu berechnen, aber die heuti-
gen experimentellen Techniken lassen es zu, den hochdimensionalen Raum der Mög-
lichkeiten vollautomatisch durchzumustern. Die Menge der Daten, die dabei akqui-
riert wird, ist immens und kann nur angemessen in großen Datenbanken abgespeichert
werden. Die Analyse der Daten eines solch mächtigen Datenpools wird heute ‘Data-
mining’ genannt. Mit den zur Verfügung stehenden Methoden der statistischen Daten-
analyse und des sogenannten maschinellen Lernens kann man in solchen Datenmen-
gen Korrelationen aufspüren und Hypothesen für mathematische Zusammenhänge,
d. h. wiederum für Modelle, generieren.
Em schönes Beispiel für den wissenschaftlichen Ertrag eines solchen Datamining ist
die Arbeit von Johannes Kepler. Er analysierte die Daten von Tycho Brahe und fand
auf der Basis dieser Daten seine Gesetze, die wir heute als Modelle für die Bewegung
 
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