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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2001 — 2002

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I. Das Geschäftsjahr 2001
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Gesamtsitzung am 10. Februar 2001
DOI Kapitel:
Sitzung der Math.-net. Klasse am 28. April 2001
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Honerkamp, Josef: Datengestützte Modellierung biologischer Systeme
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https://doi.org/10.11588/diglit.66350#0044
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28. April 2001

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6. Die Teilchengrößenverteilung in Kolloiden und Emulsionen, nanoskaligen Strukturen
Nach diesen mehr mathematischen Überlegungen möchte ich zur Erläuterung des
dritten Ziels kommen. Ich will das tun bei einer besonderen Spielart der vorgestellten
Modellstruktur, nämlich bei den berühmten ‘schlecht gestellten’ inversen Problemen,
die insbesondere auch in folgendem Umfeld auftreten: Ein kolloidales System besteht
aus einer Substanz (Dispersionsmittel), in der Teilchen eines anderen Stoffes verteilt
sind. Diese setzen sich aus etwa 103 bis 109 Atomen zusammen und haben eine Aus-
dehnung von 10-7 bis IC 5 cm. Kolloide nehmen eine Zwischenstellung ein zwischen
homogenen und mehrphasigen Mischungen. Wichtige Kolloide sind z.B. Emulsionen
wie Latex, Gele wie Duschgel, Klebstoffe, Tapetenkleister oder Kiesel. Wichtige bio-
logische Emulsionen sind auch Liposome z.B. als Fähren für Medikamente durch die
Haut, oder Milch mit ihren Fettkügelchen als dispergierte Teilchen. Gelatine,
Polyacrylamid, Agar Agar und Lapponite werden zur Lebensmittelverdickung einge-
setzt.
Kolloide spielen bei vielen technischen Prozessen wie bei der Herstellung von Phar-
mazeutika, Dispersionsfarben, der Optimierung von Katalysatoren sowie bei Klebe-,
Lackier- und Schmierprozessen oder beim CMP (Chemical mechanical polishing,
einem wichtigen Verfahren in der Halbleiter-Industrie) eine bedeutende Rolle.
Die makroskopischen Eigenschaften der Kolloide wie z.B. Viskosität und Farbe,
die elektrooptischen Eigenschaften und insbesondere das Verhalten bei dem
gewünschten Prozess hängen stark von der Größenverteilung der dispergierten Teil-
chen ab. Deshalb haben Verfahren zur Bestimmung dieser Verteilung eine große
Bedeutung. Ein Verfahren, das sofort absolute Werte erzielt, meistens zerstörungsfrei,
schnell, billig und einfach handhabbar ist, ist die Lichtstreuung.
Dabei wird ein Laserstrahl auf das Kolloid geschickt und das gestreute Licht gemes-
sen. Man unterscheidet zwischen der statischen Lichtstreuung, bei der man einfach nur
die Intensität des gestreuten Lichtes in Abhängigkeit vom Streuwinkel misst, und der
dynamische Lichtstreuung, in der die zeitliche Korrelation der Folge der gestreuten
Photonen gemessen wird.
Der Zusammenhang zwischen der Teilchengrößenverteilung und der Korrelations-
funktion in der dynamischen Lichtstreuung ist nun eine kompliziertere Formel, die
sich hier hinzuschreiben nicht lohnt. Festzuhalten ist aber, dass dieser Zusammenhang
sich auch als Beobachtungsgleichung interpretieren lässt. Sei X(r) die Anzahl der Teil-
chen der Größe r und Y(t) die Korrelationsfunktion in Abhängigkeit von der Korre-
lationszeit t, dann hat der Zusammenhang auch die Form
Y(t) = (|K(t,r)X(r)dr)2 + E(t),
wobei der Integralkern K(t,r) durch die Theorie bestimmt ist. Eine Systemgleichung
für X(r) ist aber nun nicht vorhanden, wir haben hier somit einen Grenzfall der allge-
meinen Modellstruktur vorliegen, es gibt nur eine Beobachtungsgleichung.
Das ist ein sehr häufig auftretendes Problem. Man betrachte nicht nur die Teilchen-
größenverteilung in Kolloiden oder Suspensionen, sondern auch z.B. die Dichte im
Gewebe eines menschlichen Organs in Abhängigkeit vom Ort. Auch solche Vertei-
lungen kann man nie direkt messen, sondern nur durch Messung der Streuung oder
Absorption von Röntgenstrahlen, Licht oder Neutronen. Dann stellt Y die gemessene
Intensität der Strahlung dar und die Beobachtungsgleichung gibt den Zusammenhang
 
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