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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2001 — 2002

DOI chapter:
I. Das Geschäftsjahr 2001
DOI chapter:
Gesamtsitzung am 16. Juni 2001
DOI article:
Cremer, Thomas: Vom DNA-Faden zur Zellkernarchitektur: Wie funktioniert unser Genom?
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.66350#0080
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16.Juni 2001

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ultraviolettem Licht (UVA), das unter diesen Umständen DSB erzeugt. Die Zellen
wurden zu unterschiedliche Zeiten nach der Mikrobestrahlung fixiert. Immunfärbun-
gen von Rad51, einem Protein, das an der Reparatur von DSB beteiligt ist, zeigten,
dass dieses Protein an die mikrobestrahlten Kernorte rekrutiert wird. Diese Rekrutie-
rung blieb im Verlauf mehrer Stunden nach der Mikrobestrahlung bestehen. Es zeig-
ten sich aber keinerlei weiträumige Veränderungen der mikrobestrahlten Kernorte
zueinander, wie es bei einer bestrahlungsinduzierten Paarung geschädigter und unge-
schädigter, homologer DNA-Abschnitte zu erwarten gewesen wäre. Wir schliessen
daraus, dass die Topographie der Chromosomenterritorien in menschlichen Zellen
(und vermutlich generell in Vertebraten) eine Rekombinationsreparatur zwischen
homologen väterlichen und mütterlichen Chromosomenterritorien im Regelfall aus-
schliesst.

Modelle der funktionellen Zellkernarchitektur
Auf der Basis der experimentellen Befunde unserer und anderer Forschungsgruppen
wurden Modellvorstellungen zur funktionellen Zellkernarchitektur entwickelt. Dazu
gehört das gemeinsam mit P. Lichter (Deutsches Krebsforschungszentrum, Heidel-
berg) entwickelte ICD-(inter chromatin domain) Kompartment Modell (Cremer et al.,
1995; Cremer et al., 1993; Zirbel et al., 1993). Darin wird die Existenz eines dreidi-
mensional verbundenen, kanalartigen Netzwerks im Zellkern postuliert, das als ICD
Kompartment oder kurz IC (interchromatin compartment) bezeichnet wird. Das IC
beginnt an den Kernporen in der Zellkernhülle und erstreckt sich zwischen den Chro-
mosomenterritorien. Im IC befinden sich Proteinmaschinerien für die Transkription
von Genen, für die Prozessierung der abgelesenen RNA-Moleküle, für die DNA-
Replikation und die DNA-Reparatur. Vergleicht man die Chromosomenterritorien im
Zellkern mit Häuserblöcken in einer Stadt, dann bildet das IC die Verkehrsstraßen.
Dementsprechend postuliert das Modell eine wichtige Funktion der IC-Kanäle beim
Export der Boten-RNA aus dem Zellkern ins Cytoplasma und beim Import von Zell-
kernproteinen. Kürzlich wurden von Arbeitsgruppen um Roel van Driel (Universität
Amsterdam) und Stan Fakan (Universität Lausanne) Befunde publiziert, nach denen
nascente RNA an Chromatinoberflächen synthetisiert wird. Die Transkription findet
aber nicht nur im Randbereich, sondern auch im Inneren der Chromosomenterritori-
en statt (Cmarko et al., 1999). Wir konnten neuerdings zeigen, dass Chromosomen-
territorien aufgrund ihrer komplexen Faltung und ihres Aufbaus aus Chromatinfibern
und Chromatmdomänen eine eher schwammartige Struktur besitzen (Cremer and
Cremer, 2001b; Solovei et ah, 2000). Das von uns weiterentwickelte CT-IC (chromo-
some territory - interchromatin compartment) Modell berücksichtigt diese neuen
Ergebnisse. Diesem Modell zufolge enden die feinsten Verzweigungen des IC im Inne-
ren der einzelnen Chromosomenterritorien zwischen ~1 Mb und -100 kb Chromat-
indomänen (Cremer and Cremer, 2001b; Cremer et al., 2000). Die individuellen -1 Mb
Chromatindomänen finden sich im Außen- und im Innenbereich der Chromosomen-
territorien und weisen einen hohen Grad an Ordnung auf. Das CT-IC Modell postu-
liert, dass die Positionierung von Genen an der Oberfläche der Chromatindomänen
bzw. auf Chromatinschleifen, die in das IC hinein expandieren, eine topologische Vor-
aussetzung für ihre transkriptionelle Aktivität ist. Nur diese Gene sind potentiell aktiv
und können von der Transkriptionsmaschinerie gelesen werden, während Gene, die
 
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