15. Dezember 2001
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düng ihrer drei Töchter ebenso selbstverständlich waren wie Musikunterricht, Opern-
oder Theaterabonnements.
Dass meine berufliche und persönliche Karriere dann doch nicht so verlief, wie es
dieser langweilig-traditionelle familiäre Hintergrund nahelegte, ist eher Zufällen und
glücklichen Weichenstellungen zuzuschreiben als meiner Zielstrebigkeit. Denn aus der
Retrospektive betrachtet wusste ich eigentlich immer nur, was ich nicht wollte: So
hatte ich z.B. nach dem Abitur 1968 irgendwie das Gefühl, nicht wie meine Schwe-
stern und alle anderen um mich herum den Lehrerberuf anstreben zu wollen, und
bewarb mich in der Phase der Entscheidungslosigkeit - nur zur Probe - für Psycho-
logie und erhielt - durch Zufall - 1969 einen Studienplatz in Göttingen. An diesem
Lach blieb ich dann zum Teil aus Pflichtgefühl, doch einen sozialen Beruf ergreifen zu
müssen, zum Teil aber auch mit gewisser Neugier und normalem Erfolg hängen, bis
sich mir anlässlich des Diploms 1975 das Gefühl aufdrängte, nicht für den Psychothe-
rapeutenberuf geschaffen zu sein. Wiederum in einer Phase der Entscheidungslosigkeit
landete ich - durch Zufall und nur zur Aushilfe für vier Wochen geplant - im psycho-
physiologischen Forschungslabor von Niels Birbaumer in Tübingen. Dies war eine
entscheidende Weichenstellung, denn ich fing Feuer an der Forschung, an psychophy-
siologischer, insbesondere der Hirnforschung, wurde begeistert, ausgebildet und
geprägt von der Genialität und methodischen Exzellenz meiner beiden Laborkollegen,
den Physikern Werner Lutzenberger und Thomas Elbert, für die keine Idee undenk-
bar und kein Problem unlösbar war, kein Bereich nicht-invasiver psychologischer
Hirnforschung der Neugier und experimentellen Prüfung verborgen blieb.
Es ist nach wie vor für mich die faszinierendste Frage und Zentrum meines For-
schungsinteresses, wie unser Gehirn funktioniert, wenn wir handeln, denken, wahrneh-
men und fühlen. Ich habe - als Psychologin ausgebildet - wohl am meisten aus der Zu-
sammenarbeit mit den beiden Physikern gelernt, die mir einen völlig neuen Methoden-,
Wissens-, Fragenzugang zu Hirnfunktionen und Grundlagen psychischer Funktionen
vermittelten - ebenso wie eine beispiellose Haltung wissenschaftlicher Kollegialität.
Wiederum waren Promotion 1977 und Habilitation 1986 eigentlich von mir nicht
beabsichtigt, angestrebt oder gar gezielt verfolgt, sondern ergaben sich - mehr oder
weniger zufällig weil wir Drei, von Niels Birbaumer ermutigt, uns gegenseitig mit-
reißend und unterstützend promovierten und habilitierten. Sie ahnen fast, wie es wei-
terging: Ich war zwar 10 Jahre lang sehr zufrieden mit Drittmittel-Stellen in Tübingen.
Aber wenn man schon habilitiert, dann sollte man sich auch versuchsweise bewerben.
Ich tat auch dies eigentlich ohne präzise Vorstellung, was mit einer Professur verbun-
den sein könnte und was sie für das restliche Leben bedeuten sollte. Vielleicht war es
Zufall, dass bereits meine zweite Bewerbung (1989 in Konstanz) erfolgreich war.
Sicher aber war es eine besonders glückliche Fügung, bei der die entscheidende Wei-
che gestellt wurde durch die Ende der 80er Jahre in Baden-Württemberg einmalige
Chance - für Frauen gleichermaßen wie für Nachwuchswissenschaftler -, die Chance
des Fiebiger-Programms. Diese Weiche öffnete auch den Weg für eine langjährige, prä-
gende Zusammenarbeit mit Rudolf Cohen.
Seit 1990 arbeite und lebe ich in Konstanz - bei genauer Betrachtung setzt sich dabei
ein ähnlich wenig aufregendes Gleichmaß durch, wie ich es bereits für meine Kindheit
und Jugend schilderte, unterbrochen von nur wenigen Forschungsaufenthalten im
Ausland an wenig spektakulären Orten (Palo Alto, Helsinki, Delaware) und von nur
wenigen Entscheidungskämpfen, Rufen an wenig spektakuläre Universitäten (Mün-
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düng ihrer drei Töchter ebenso selbstverständlich waren wie Musikunterricht, Opern-
oder Theaterabonnements.
Dass meine berufliche und persönliche Karriere dann doch nicht so verlief, wie es
dieser langweilig-traditionelle familiäre Hintergrund nahelegte, ist eher Zufällen und
glücklichen Weichenstellungen zuzuschreiben als meiner Zielstrebigkeit. Denn aus der
Retrospektive betrachtet wusste ich eigentlich immer nur, was ich nicht wollte: So
hatte ich z.B. nach dem Abitur 1968 irgendwie das Gefühl, nicht wie meine Schwe-
stern und alle anderen um mich herum den Lehrerberuf anstreben zu wollen, und
bewarb mich in der Phase der Entscheidungslosigkeit - nur zur Probe - für Psycho-
logie und erhielt - durch Zufall - 1969 einen Studienplatz in Göttingen. An diesem
Lach blieb ich dann zum Teil aus Pflichtgefühl, doch einen sozialen Beruf ergreifen zu
müssen, zum Teil aber auch mit gewisser Neugier und normalem Erfolg hängen, bis
sich mir anlässlich des Diploms 1975 das Gefühl aufdrängte, nicht für den Psychothe-
rapeutenberuf geschaffen zu sein. Wiederum in einer Phase der Entscheidungslosigkeit
landete ich - durch Zufall und nur zur Aushilfe für vier Wochen geplant - im psycho-
physiologischen Forschungslabor von Niels Birbaumer in Tübingen. Dies war eine
entscheidende Weichenstellung, denn ich fing Feuer an der Forschung, an psychophy-
siologischer, insbesondere der Hirnforschung, wurde begeistert, ausgebildet und
geprägt von der Genialität und methodischen Exzellenz meiner beiden Laborkollegen,
den Physikern Werner Lutzenberger und Thomas Elbert, für die keine Idee undenk-
bar und kein Problem unlösbar war, kein Bereich nicht-invasiver psychologischer
Hirnforschung der Neugier und experimentellen Prüfung verborgen blieb.
Es ist nach wie vor für mich die faszinierendste Frage und Zentrum meines For-
schungsinteresses, wie unser Gehirn funktioniert, wenn wir handeln, denken, wahrneh-
men und fühlen. Ich habe - als Psychologin ausgebildet - wohl am meisten aus der Zu-
sammenarbeit mit den beiden Physikern gelernt, die mir einen völlig neuen Methoden-,
Wissens-, Fragenzugang zu Hirnfunktionen und Grundlagen psychischer Funktionen
vermittelten - ebenso wie eine beispiellose Haltung wissenschaftlicher Kollegialität.
Wiederum waren Promotion 1977 und Habilitation 1986 eigentlich von mir nicht
beabsichtigt, angestrebt oder gar gezielt verfolgt, sondern ergaben sich - mehr oder
weniger zufällig weil wir Drei, von Niels Birbaumer ermutigt, uns gegenseitig mit-
reißend und unterstützend promovierten und habilitierten. Sie ahnen fast, wie es wei-
terging: Ich war zwar 10 Jahre lang sehr zufrieden mit Drittmittel-Stellen in Tübingen.
Aber wenn man schon habilitiert, dann sollte man sich auch versuchsweise bewerben.
Ich tat auch dies eigentlich ohne präzise Vorstellung, was mit einer Professur verbun-
den sein könnte und was sie für das restliche Leben bedeuten sollte. Vielleicht war es
Zufall, dass bereits meine zweite Bewerbung (1989 in Konstanz) erfolgreich war.
Sicher aber war es eine besonders glückliche Fügung, bei der die entscheidende Wei-
che gestellt wurde durch die Ende der 80er Jahre in Baden-Württemberg einmalige
Chance - für Frauen gleichermaßen wie für Nachwuchswissenschaftler -, die Chance
des Fiebiger-Programms. Diese Weiche öffnete auch den Weg für eine langjährige, prä-
gende Zusammenarbeit mit Rudolf Cohen.
Seit 1990 arbeite und lebe ich in Konstanz - bei genauer Betrachtung setzt sich dabei
ein ähnlich wenig aufregendes Gleichmaß durch, wie ich es bereits für meine Kindheit
und Jugend schilderte, unterbrochen von nur wenigen Forschungsaufenthalten im
Ausland an wenig spektakulären Orten (Palo Alto, Helsinki, Delaware) und von nur
wenigen Entscheidungskämpfen, Rufen an wenig spektakuläre Universitäten (Mün-