15. Dezember 2001
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25 atm. setzen), und der Kristall, der dabei entsteht, sollte nach Vorhersagen der Theo-
rie besondere Eigenschaften haben. Wir haben damals durch Einstrahlung von Laser-
licht gezielt Schallwellen in diesem Kristall erzeugt, und aus der Ausbreitung dieser
Schallwellen schließen können, dass die Eigenschaften dieses Quantenkristalls so
ungewöhnlich gar nicht sind, ein negatives, aber dennoch nicht uninteressantes Ergeb-
nis, das zum Verständnis dieser Materialen beitrug.
Für einen richtigen Physiker gehörte es sich damals - und das gilt eigentlich auch
heute noch -, ein oder auch zwei Lehr- und Wanderjahre als Postdoktorand im Aus-
land zu verbringen. Das bevorzugte Land damals waren die USA. Im Jahr 1972 hatte
ich erstmals, noch als Doktorand, die Möglichkeit, an einer großen internationalen
Konferenz in den USA teilzunehmen, die in Boulder (Colorado) zum Thema Tief-
temperaturphysik stattfand. Ich nutzte diese Gelegenheit, um verschiedene Univer-
sitäten zu besuchen, und mich nach einem attraktiven Platz für eine Postdoc-Tätigkeit
umzusehen. Als ich dann 1973 ein Forschungsstipendium der DFG erhielt, entschied
ich mich für die Cornell University, im Osten der USA im Bundesstaat NY gelegen.
In Cornell beschäftigte ich mich wiederum mit Helium, und zwar mit Mischungen der
beiden Helium-Isotope, die in der Natur vorkommen, He3 und He4. Sie sind interes-
sant, weil He4-Atome sog. Bose-Teilchen sind, die dazu tendieren, alle im Gleich-
schritt zu marschieren und eine Supraflüssigkeit, em „Bose-Kondensat“ zu bilden, mit
bemerkenswerten Eigenschaften, die die Quantenmechanik auf großer Längenskala
zeigen (kein ganz einfaches Phänomen, aber seit dem letzten Physik-Nobelpreis ver-
stärkt in den Blickpunkt auch von Nichtphysikern gerückt). He3-Atome dagegen sind
sog. Fermi-Teilchen, die ein solches Bose-Kondensat nicht bilden können. Als Folge
lassen sich He3 und He4 als zwei Isotope des gleichen Elements bei tiefen Tempera-
turen nicht mischen, ein ganz ungewöhnliches Verhalten, das sonst in der Natur nicht
vorkommt.
Der Aufenthalt in den USA war sehr lehrreich und schön, nicht nur wissenschaft-
lich, sondern auch wegen einer eindrucksvollen Reise, die mich zusammen mit meiner
Frau und unserer damals zweijährigen Tochter mit Auto und Zelt quer durch die USA
zu den überwältigenden Naturwundern wie Yellowstone und Grand Canyon im
Westen führte. Aber so sehr es uns in den USA auch gefallen hat, war es doch nie eine
Frage, dass wir nach meiner Postdoc-Tätigkeit nach Deutschland zurückkehren wür-
den. Ich wollte zunächst etwas Industrieerfahrung sammeln, und fing bei einer kleine-
ren Münchner Firma an, einem Tochterunternehmen von Giesecke und Devrient, wo
ich mich mit der Fälschungssicherheit von Geldscheinen beschäftigte. Obwohl dies als
Entwicklungsprojekt eine interessante Herausforderung war, schlug mein Herz doch
mehr in Richtung der Grundlagenforschung und Lehre und damit für die Hochschul-
laufbahn. So nahm ich ein Jahr später, 1975, als das Projekt weitgehend beendet war,
ein Angebot als wissenschaftlicher Assistent an der TU München in der Gruppe von
Prof. Kinder an. Dort untersuchte ich weiter die He3-He4-Mischungen, die ich in
Cornell kennen gelernt hatte, und das Problem des Wärmeübergangs von Festkörpern
ins flüssige Helium. Im Jahr 1979 habilitierte ich mich, und 1981 erhielt ich eine unbe-
fristete C2-Professur an der TU München.
Eine kleine Anmerkung aus dieser Zeit: Als Assistent an der TU baute ich unter
anderem ein Experiment für das Praktikum auf, mit dem die Studierenden einige der
exotischen Eigenschaften von suprafluidem Helium untersuchen konnten. Einer der
Studenten, die diesen Versuch machten, ist inzwischen auch mit der hiesigen Akade-
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25 atm. setzen), und der Kristall, der dabei entsteht, sollte nach Vorhersagen der Theo-
rie besondere Eigenschaften haben. Wir haben damals durch Einstrahlung von Laser-
licht gezielt Schallwellen in diesem Kristall erzeugt, und aus der Ausbreitung dieser
Schallwellen schließen können, dass die Eigenschaften dieses Quantenkristalls so
ungewöhnlich gar nicht sind, ein negatives, aber dennoch nicht uninteressantes Ergeb-
nis, das zum Verständnis dieser Materialen beitrug.
Für einen richtigen Physiker gehörte es sich damals - und das gilt eigentlich auch
heute noch -, ein oder auch zwei Lehr- und Wanderjahre als Postdoktorand im Aus-
land zu verbringen. Das bevorzugte Land damals waren die USA. Im Jahr 1972 hatte
ich erstmals, noch als Doktorand, die Möglichkeit, an einer großen internationalen
Konferenz in den USA teilzunehmen, die in Boulder (Colorado) zum Thema Tief-
temperaturphysik stattfand. Ich nutzte diese Gelegenheit, um verschiedene Univer-
sitäten zu besuchen, und mich nach einem attraktiven Platz für eine Postdoc-Tätigkeit
umzusehen. Als ich dann 1973 ein Forschungsstipendium der DFG erhielt, entschied
ich mich für die Cornell University, im Osten der USA im Bundesstaat NY gelegen.
In Cornell beschäftigte ich mich wiederum mit Helium, und zwar mit Mischungen der
beiden Helium-Isotope, die in der Natur vorkommen, He3 und He4. Sie sind interes-
sant, weil He4-Atome sog. Bose-Teilchen sind, die dazu tendieren, alle im Gleich-
schritt zu marschieren und eine Supraflüssigkeit, em „Bose-Kondensat“ zu bilden, mit
bemerkenswerten Eigenschaften, die die Quantenmechanik auf großer Längenskala
zeigen (kein ganz einfaches Phänomen, aber seit dem letzten Physik-Nobelpreis ver-
stärkt in den Blickpunkt auch von Nichtphysikern gerückt). He3-Atome dagegen sind
sog. Fermi-Teilchen, die ein solches Bose-Kondensat nicht bilden können. Als Folge
lassen sich He3 und He4 als zwei Isotope des gleichen Elements bei tiefen Tempera-
turen nicht mischen, ein ganz ungewöhnliches Verhalten, das sonst in der Natur nicht
vorkommt.
Der Aufenthalt in den USA war sehr lehrreich und schön, nicht nur wissenschaft-
lich, sondern auch wegen einer eindrucksvollen Reise, die mich zusammen mit meiner
Frau und unserer damals zweijährigen Tochter mit Auto und Zelt quer durch die USA
zu den überwältigenden Naturwundern wie Yellowstone und Grand Canyon im
Westen führte. Aber so sehr es uns in den USA auch gefallen hat, war es doch nie eine
Frage, dass wir nach meiner Postdoc-Tätigkeit nach Deutschland zurückkehren wür-
den. Ich wollte zunächst etwas Industrieerfahrung sammeln, und fing bei einer kleine-
ren Münchner Firma an, einem Tochterunternehmen von Giesecke und Devrient, wo
ich mich mit der Fälschungssicherheit von Geldscheinen beschäftigte. Obwohl dies als
Entwicklungsprojekt eine interessante Herausforderung war, schlug mein Herz doch
mehr in Richtung der Grundlagenforschung und Lehre und damit für die Hochschul-
laufbahn. So nahm ich ein Jahr später, 1975, als das Projekt weitgehend beendet war,
ein Angebot als wissenschaftlicher Assistent an der TU München in der Gruppe von
Prof. Kinder an. Dort untersuchte ich weiter die He3-He4-Mischungen, die ich in
Cornell kennen gelernt hatte, und das Problem des Wärmeübergangs von Festkörpern
ins flüssige Helium. Im Jahr 1979 habilitierte ich mich, und 1981 erhielt ich eine unbe-
fristete C2-Professur an der TU München.
Eine kleine Anmerkung aus dieser Zeit: Als Assistent an der TU baute ich unter
anderem ein Experiment für das Praktikum auf, mit dem die Studierenden einige der
exotischen Eigenschaften von suprafluidem Helium untersuchen konnten. Einer der
Studenten, die diesen Versuch machten, ist inzwischen auch mit der hiesigen Akade-