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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2001 — 2002

DOI chapter:
I. Das Geschäftsjahr 2001
DOI chapter:
Gesamtsitzung am 15. Dezember 2001
DOI article:
Leiderer, Paul: Antrittsrede vom 15. Dezember 2001
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.66350#0123
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Sitzungen

mie verbunden, und Sie alle haben vor wenigen Monaten von ihm auch in den Medi-
en gehört. Es handelt sich um Wolfgang Ketterle, der den diesjährigen Nobelpreis in
Physik für ein Bose-Einstein-Kondensat aus lasergekühlten Atomen erhalten hat.
Vielleicht war ja jener Praktikumsversuch mit suprafluidem Helium, den er damals
durchführte, sein erster Kontakt mit derartigen makroskopischen Quantensystemen.
Bekanntlich ist das deutsche Universitätswesen so angelegt - zumindest war dies
bisher so -, dass man sich räumlich verändern musste, um auf der Karriereleiter die
nächste Sprosse zu erklimmen, und so folgte ich 1982 einem Ruf auf eine C3-Profes-
sur für Experimentalphysik an die Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz. Dort
erweiterte ich mein Arbeitsgebiet auf Gläser und amorphe Substanzen (zu dieser The-
matik wurde damals gerade ein Sonderforschungsbereich in Mainz gegründet), und
auf die Hochtemperatur-Supraleiter, die in diesen Jahren entdeckt wurden. Damit
erschloss sich für meine Forschungsinteressen ein völlig neuer Temperaturbereich,
denn diese Hochtemperatur-Spraleiter muss man nur bis auf etwa 100 Kelvin (also
minus 173 Grad Celsius) abkühlen, damit sie supraleitend werden, immer noch recht
kalt aus der Sicht des täglichen Lebens, aber für einen Helium-Physiker eine recht
hohe Temperatur.
Es war eine anregende und wissenschaftlich auch sehr ergiebige Zeit in Mainz, aber
ich folgte dennoch 1988 einem Ruf auf eine C4-Professur an der Universität Konstanz,
trotz eines attraktiven und bedenkenswerten Gegenangebots aus Mainz. Bei dieser
Entscheidung hat, wie ich gestehen muss, durchaus auch die Liebe meiner Familie zu
Bergen und Seen und und ihre Begeisterung für Bergwanderungen und Schifahren eine
Rolle gespielt. Die Stelle in Konstanz war eine sog. Fiebiger-Professur, also eine vor-
gezogene Nachfolge. Der Kollege, um dessen Nachfolge es ging, war niemand ande-
rer als mein akademischer Lehrer Klaus Dransfeld. Ich schätze mich sehr glücklich,
dass es mir auf diese Weise möglich war, zusammen mit ihm bis zu seiner Emeritierung
noch sechs Jahre in der Konstanzer Fakultät für Physik tätig zu sein. Es kam dadurch
auch noch eine weitere Facette zu meinen Forschungsgebieten hinzu: Klaus Dransfeld
hatte in Konstanz in seiner Gruppe die Physik der Nanostrukturen, also ganz kleine
Strukturen im Submikrometerbereich, als einen Schwerpunkt etabliert, und dies passte
sehr gut auch zu den Interessen meiner Gruppe. Wir konnten noch weitere Kollegen
in Konstanz davon überzeugen, dass dies eine vielversprechende Forschungsrichtung
ist, auch mit hochinteressanten Anwendungen, nicht nur in der Mikroelektronik und
der Datenspeicherung, sondern auch in interdisziplinären Gebieten wie der Biophy-
sik, und daraus entstand ein Sonderforschungsbereich „Nanostrukturen an Grenz-
flächen und Oberflächen“, dessen Sprecher ich bin, und der in diesem Herbst seine
dritte Begutachtung mit Erfolg hinter sich gebracht hat.
An der Universität Konstanz bin ich nun schon 13 Jahre tätig, und Konstanz ist
inzwischen für meine Familie und mich zur Heimat geworden. Die Begeisterung für
die Physik, die Neugier nach Unbekanntem, die mir Klaus Dransfeld von Anfang an
mit auf den Weg gegeben hat, ist immer noch eine entscheidende Triebfeder. Allerdings
muss ich gestehen, dass leider viel zu wenig Zeit bleibt, dieser Leidenschaft nachzuge-
hen, aufgrund zahlreicher Verpflichtungen, wie bei den meisten von uns. Im Augen-
blick ist dies u. a. die Mitgliedschaft im Senat der Deutschen Forschungsgemeinschaft
mit einer Reihe von Ausschüssen. Aber wir haben ja an der Universität das Privileg,
dass wir immer wieder neue Generationen von jungen Leuten für unsere Ideen begei-
stern und unsere Neugier damit an sie weitergeben können. Dies werde ich auch als
 
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