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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2001 — 2002

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I. Das Geschäftsjahr 2001
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Brix, Peter: Heinz Maier-Leibniz (28.3.1911 - 16.12.2000)
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https://doi.org/10.11588/diglit.66350#0145
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schule. Er hatte Bedenken, ihn anzunehmen; denn Bothe war inzwischen erkrankt und
für unabsehbare Zeit in der Klinik. Aber Otto Hahn als Präsident der Max-Planck-
Gesellschaft ließ keinen Zweifel daran, dass er den Ruf annehmen müsse. So trat er die
Stelle als Nachfolger von Walther Meissner im Oktober 1952 an, 41 Jahre alt.
Die Heidelberger Akademie der Wissenschaften wählte Maier-Leibnitz 1955 zum
Korrespondierenden Mitglied. Der Akademie und Heidelberg blieb er stets in Freund-
schaft verbunden. Er wurde Auswärtiges Wissenschaftliches Mitglied des Max-
Planck-Instituts für Kernphysik und Ehrensenator der Universität. In der Festschrift
SEMPER APERTUS anlässlich der 600-Jahrfeier der Universität würdigte er 1985 mit
dem Beitrag „Walther Bothe 1891-1957“ sein zweites großes Vorbild neben James
Franck. Als im Wintersemester 1991/92 auf Initiative von Otto Marx in Heidelberg die
Vorlesungsreihe „Emeriti erinnern sich“ stattfand, war er gerne bereit, unter der Über-
schrift „60 Jahre Forschung, Lehre und Forschung, Forschungspolitik“ ausführlich
über sein Leben vorzutragen. Diese Ausführungen, sowie die „Erinnerungen an die
Vorgeschichte und die Gründerjahre des Max-Planck-Instituts für Kernphysik“ von
Ulrich Schmidt-Rohr waren sehr hilfreich bei dem Bemühen, gerade in diesem Nach-
ruf der Heidelberger Akademie der Wissenschaften ausführlicher auf das württember-
gische Herkommen, die Jugend, das Studium und die produktiven Heidelberger Jahre
von Heinz Maier-Leibnitz einzugehen.
An der TH München zog mit Maier-Leibnitz die Kernphysik ein, und es erwartete
ihn eine gewaltige Herausforderung, die er bewunderswert meisterte. Es gab sehr viele
lernbereite Studenten. Bald hatte das Institut, für das er Michael Schön, Ewald Fünfer
und Nikolaus Riehl als erfahrene Mitarbeiter gewann, 50 Diplomanden; ein paar Jahre
später waren es gleichzeitig 100 Diplomanden und 100 Doktoranden. Es lohnt sich,
z. B. auch bei den Schülern Mößbauer und Paul Kienle nachzulesen, wie das System
funktionierte.
Seinen Doktoranden Mößbauer schickte Maier-Leibnitz im Mai 1955 nach dem
Diplom an das MPI für medizinische Forschung, weil dort die Arbeitsbedingungen
für seine Doktorarbeit viel besser waren als in München. Hier, in Heidelberg, ent-
deckte Mößbauer den nach ihm benannten Effekt der rückstoßfreien Kernresonanz-
absorption, für den er 1961 den Nobelpreis erhielt.
Nach der Konferenz für die friedliche Nutzung der Atomenergie 1955 in Genf kam
die überraschende Frage des Bayerischen Ministerpräsidenten: „Herr Professor Maier-
Leibnitz, wollen Sie einen Forschungsreaktor haben?“ Die Zusage war prompt - unter
der Bedingung, dass zu dem Reaktor auch ein Forschungslaboratorium gehören müs-
ste. Das eindrucksvolle „Atom-Ei“ in Garching entstand. Der darin untergebrachte
„Swimming-Pool-Reaktor“ wurde schon im September 1957 kritisch; dann begann
mit der modernen Neutronenphysik ein eindrucksvoller Aufschwung der Forschung:
Physik der Kernspaltung, Kernspektroskopie bei Neutroneneinfang, Beugung und
Kleinwinkelstreuung von Neutronen, Interferometrie, Ausnutzung des freien Falls
von Neutronen für Präzisionsmessungen und ähnliches mehr.
Wegen der Münchener Erfolge wurde Maier-Leibnitz zum ersten Direktor des neu
gegründeten deutsch-französischen Instituts Max von Laue - Paul Langevin (ILL) in
Grenoble bestellt, das einen Forschungsreaktor mit sehr hohen Neutronenfluss bauen
und betreiben sollte. Den Forschungsbetrieb dort erlebte er nur in den ersten Anfän-
gen mit, aber er brachte viele Erfindungen und Anregungen ein. Für die Neutronen-
Optik besonders wichtig wurden die auf Totalreflexion beruhenden Neutronenleiter,
 
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