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Nachrufe
schrieb er eine ausführliche, einfühlsame und sachkundige Einleitung, in der die weit
über 2000 Jahre alte Geschichte der ostasiatischen Schriftkunst, ihre erstaunliche Kon-
stanz über die Jahrtausende hin und ihre Bedeutung auch für die Sozialgeschichte von
Japan und China dargestellt werden. Natürlich umfaßte sein Interesse auch die ost-
asiatische Malerei und Graphik. Für mich war es ein ganz besonders schönes Erlebnis,
als ich ihn noch im Herbst 1998 durch die Ausstellung meiner Sammlung moderner
japanischer Graphik im Heidelberger Kunstverein führen durfte. - Auch seine frühe
Liebe zu Italien und zur italienischen Kunstgeschichte hat er fruchtbar umgesetzt. So
bearbeitete er viele Jahre lang die Probleme, die ein einzigartiges mittelalterliches Bau-
werk aufwarf: Das Castel del Monte Friedrichs II. in Unteritalien. Über dieses Bau-
werk hat er verschiedentlich publiziert; am bekanntesten wurde sein Buch, das auch
im Prestel-Verlag erschienen ist. Es ist ein außerordentliches kultur- und kunsthistori-
sches Werk. Ich selbst schätze seine Betrachtungen über „Castel del Monte: Gestalt,
Herkunft und Bedeutung“ besonders hoch, die er am 14.1.1984 auf der Sitzung unse-
rer Akademie vortrug (vgl. Sitzungsberichte, Bericht 2, 1984; auch Bericht 4, 1991). Er
befaßte sich mit der geometrischen Form des Achtecks, das in diesem Bauwerk immer
wiederkehrt. Diese Betrachtungen ordnete er ein in eine Analyse des Achtecks und
anderer symmetrischer Formen in ihrer Beziehung zur Ästhetik. Wer das 1980-1982
erbaute und 1991 erweiterte Verlagsgebäude in der Heidelberger Tiergartenstraße
kennt, der ist dann über die sich in seiner Bau-Struktur ausdrückende Liebe zur Geo-
metrie nicht mehr verwundert. Diese Liebe zur Geometrie zeigt sich auch in der vor
dem Haus stehenden Skulptur, unter anderem mit dem Dodekaeder, nach Plato dem
Symbol der Vollkommenheit.
Diese Vielseitigkeit der Interessen und die Offenheit gegenüber Menschen, Dingen
und Problemen halfen ihm auch in seiner Arbeit als Verleger. Denn eine Hauptaufgabe
in diesem Beruf ist es ja, mit Wissenschaftlern produktiv zu kommunizieren - sei es
als Autoren oder Herausgeber von Büchern, Zeitschriften oder Schriftenreihen. So
erstreckt sich der Verlag heute fast auf die gesamte Welt, in der Wissenschaft betrieben
wird. Den Niederlassungen in New York, London und Tokyo folgten solche u.a. in
Paris, Hongkong, Barcelona, Budapest, Mailand und Singapore. So entwickelte sich
der Verlag zu einem der weltweit führende Wissenschafts-Verlage. Ich selbst lernte
Götze im Jahr 1957 kennen, als er mich in Berliner MPI für vergleichende Erbbiolo-
gie aufsuchte; an der Freien Universität hatte ich mich kurz zuvor für Humangenetik
habilitiert. Er bot mir an, ein Lehrbuch für Humangenetik für den Springer-Verlag zu
schreiben: Für einen jungen Wissenschaftler, der gerade etwas über vier Jahre im Fach
war, eine außerordentliche Chance - aber für den Verlag sicher ein großes Risiko. Das
zeigt, was einen guten Verleger auszeichnet: Das Wahrnehmen von vielleicht unge-
wöhnlichen Chancen, auch wenn sie mit einem Risiko verbunden sind. Das Buch ist
dann 1961 erschienen, und es wurde ein Erfolg. Als ich später an eine Neuauflage
dachte, sagte er: Nur in englischer Sprache und, wenn möglich, - mit einem amerika-
nischen Co-Autor! Dieses zusammen mit Arno Morulsky verfaßte neue Lehrbuch ist
ebenfalls bis in die Gegenwart hinein erfolgreich - im Laufe der Zeit ist es in sechs ver-
schiedenen Sprachen erschienen, darunterjapanisch und Chinesisch (übrigens nicht in
Deutsch).
Im Jahr 1964, als ich schon in Heidelberg war, schlug er vor, eine neue humangene-
tische Zeitschrift zu gründen. Und das, obwohl der Verlag seit vielen Jahren eine Zeit-
schrift für unser Fach hatte. Aber der Haupt-Herausgeber war, wie man schon damals
Nachrufe
schrieb er eine ausführliche, einfühlsame und sachkundige Einleitung, in der die weit
über 2000 Jahre alte Geschichte der ostasiatischen Schriftkunst, ihre erstaunliche Kon-
stanz über die Jahrtausende hin und ihre Bedeutung auch für die Sozialgeschichte von
Japan und China dargestellt werden. Natürlich umfaßte sein Interesse auch die ost-
asiatische Malerei und Graphik. Für mich war es ein ganz besonders schönes Erlebnis,
als ich ihn noch im Herbst 1998 durch die Ausstellung meiner Sammlung moderner
japanischer Graphik im Heidelberger Kunstverein führen durfte. - Auch seine frühe
Liebe zu Italien und zur italienischen Kunstgeschichte hat er fruchtbar umgesetzt. So
bearbeitete er viele Jahre lang die Probleme, die ein einzigartiges mittelalterliches Bau-
werk aufwarf: Das Castel del Monte Friedrichs II. in Unteritalien. Über dieses Bau-
werk hat er verschiedentlich publiziert; am bekanntesten wurde sein Buch, das auch
im Prestel-Verlag erschienen ist. Es ist ein außerordentliches kultur- und kunsthistori-
sches Werk. Ich selbst schätze seine Betrachtungen über „Castel del Monte: Gestalt,
Herkunft und Bedeutung“ besonders hoch, die er am 14.1.1984 auf der Sitzung unse-
rer Akademie vortrug (vgl. Sitzungsberichte, Bericht 2, 1984; auch Bericht 4, 1991). Er
befaßte sich mit der geometrischen Form des Achtecks, das in diesem Bauwerk immer
wiederkehrt. Diese Betrachtungen ordnete er ein in eine Analyse des Achtecks und
anderer symmetrischer Formen in ihrer Beziehung zur Ästhetik. Wer das 1980-1982
erbaute und 1991 erweiterte Verlagsgebäude in der Heidelberger Tiergartenstraße
kennt, der ist dann über die sich in seiner Bau-Struktur ausdrückende Liebe zur Geo-
metrie nicht mehr verwundert. Diese Liebe zur Geometrie zeigt sich auch in der vor
dem Haus stehenden Skulptur, unter anderem mit dem Dodekaeder, nach Plato dem
Symbol der Vollkommenheit.
Diese Vielseitigkeit der Interessen und die Offenheit gegenüber Menschen, Dingen
und Problemen halfen ihm auch in seiner Arbeit als Verleger. Denn eine Hauptaufgabe
in diesem Beruf ist es ja, mit Wissenschaftlern produktiv zu kommunizieren - sei es
als Autoren oder Herausgeber von Büchern, Zeitschriften oder Schriftenreihen. So
erstreckt sich der Verlag heute fast auf die gesamte Welt, in der Wissenschaft betrieben
wird. Den Niederlassungen in New York, London und Tokyo folgten solche u.a. in
Paris, Hongkong, Barcelona, Budapest, Mailand und Singapore. So entwickelte sich
der Verlag zu einem der weltweit führende Wissenschafts-Verlage. Ich selbst lernte
Götze im Jahr 1957 kennen, als er mich in Berliner MPI für vergleichende Erbbiolo-
gie aufsuchte; an der Freien Universität hatte ich mich kurz zuvor für Humangenetik
habilitiert. Er bot mir an, ein Lehrbuch für Humangenetik für den Springer-Verlag zu
schreiben: Für einen jungen Wissenschaftler, der gerade etwas über vier Jahre im Fach
war, eine außerordentliche Chance - aber für den Verlag sicher ein großes Risiko. Das
zeigt, was einen guten Verleger auszeichnet: Das Wahrnehmen von vielleicht unge-
wöhnlichen Chancen, auch wenn sie mit einem Risiko verbunden sind. Das Buch ist
dann 1961 erschienen, und es wurde ein Erfolg. Als ich später an eine Neuauflage
dachte, sagte er: Nur in englischer Sprache und, wenn möglich, - mit einem amerika-
nischen Co-Autor! Dieses zusammen mit Arno Morulsky verfaßte neue Lehrbuch ist
ebenfalls bis in die Gegenwart hinein erfolgreich - im Laufe der Zeit ist es in sechs ver-
schiedenen Sprachen erschienen, darunterjapanisch und Chinesisch (übrigens nicht in
Deutsch).
Im Jahr 1964, als ich schon in Heidelberg war, schlug er vor, eine neue humangene-
tische Zeitschrift zu gründen. Und das, obwohl der Verlag seit vielen Jahren eine Zeit-
schrift für unser Fach hatte. Aber der Haupt-Herausgeber war, wie man schon damals