Metadaten

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2001 — 2002

DOI Kapitel:
I. Das Geschäftsjahr 2001
DOI Kapitel:
Nachrufe
DOI Artikel:
Pulitz, Gisbert Freiherr zu: Carl Christoph Schmelzer (17.11.1908 - 10.6.2001)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.66350#0161
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
172

Nachrufe

Schmelzers Wunsch, einen entsprechenden Beschleuniger in Heidelberg zu bauen,
ging nicht in Erfüllung. Viele Diskussionen unter den Kernphysikern jener Zeit führ-
ten schließlich zu dem Vorschlag, den Unilag (universeller Schwerionen-Linearbe-
schleuniger) genannten Beschleuniger bei Darmstadt zu bauen. Dies war rückschau-
end aber eher eine glückliche Entscheidung.
Der seit Mitte der siebziger Jahre in Betrieb gegangene Unilag-Beschleuniger bot
den deutschen Kernphysikern für mehr als ein Jahrzehnt eine absolut konkurrenzlose
Forschungsmöglichkeit. Die Zahl der Ersttaten ist lang, hier seien nur wenige erwähnt:
Fusion von sechs neuen Elementen der Ordnungszahlen 107-112, Fusion zweier
Urankerne im Schwerionenstoß für Zeiten, in denen sich die Nukleonen schon für
einen neuen Compoundkern arrangiert hatten, Untersuchungen wasserstoffähnlicher
Spektren von hochgestrippten Atomen, Positronenerzeugung im Schwerionenstoß als
großes wissenschaftliches Rätsel der achtziger Jahre, Spaltung vieler exotischer Nuk-
lide, beispielsweise Zinn Sn 100 mit gleicher Zahl von Protonen und Neutronen, Ent-
deckung der Protonenradioaktivität, Nachweis eines inversen Betazerfalls, bei dem ein
Elektron der Elektronenhülle vom Kern absorbiert wurde, Erzeugung von Kernspur-
filtern mittels hochgeladener Schwerionen, Entdeckung der Kernspaltung durch
Anregung von Kernen in so hohe Drehimpulszustände, dass die Kernmaterie ausein-
andergerissen wurde, und schließlich zahlreiche Anwendungen in der Medizin.
Schmelzer übergab seine hervorragende wissenschaftliche Einrichtung eines einma-
ligen Beschleunigers mit weltweit einzigartigen Forschungsmöglichkeiten im Jahre
1978 an seinen Nachfolger (den Autor dieser Zeilen). Sein Interesse an der Physik der
schweren Atomkerne bestand aber fort. Noch viele Jahre hat er von der GSI aus die
Arbeiten intensiv verfolgt.
Schmelzers hohe Anerkennung wurde durch viele Ehrungen unterstrichen. Der
Ehrendoktor der Universität Frankfurt wird ihn besonders erfreut haben, weil dort
seine Beschleunigerentwicklung einen hohen Stellenwert hatte. Die Bundesrepulik
Deutschland hat ihn durch das Bundesverdienstkreuz geehrt. Die Heidelberger Aka-
demie der Wissenschaften trauert um ihr ordentliches Mitglied, dessen große Lebens-
leistung wir dankbar in Erinnerung behalten werden.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften