Metadaten

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2004 — 2004

DOI Kapitel:
I. Das Geschäftsjahr 2004
DOI Kapitel:
Jahresfeier am 15. Mai 2004
DOI Kapitel:
Darstellung der Arbeiten der Preisträger
DOI Kapitel:
Walter-Witzenmann-Preis
DOI Artikel:
Deutsch, Andreas: Der Klagspiegel und sein Autor Conrad Heyden: zu Entstehung, Inhalt und Bedeutung eines Rechtsbuchs und der Rezeptionszeit
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.66960#0048
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
60

JAHRESFEIER

WALTER-WITZE NM ANN-PR EIS
Andreas Deutsch: „Der Klagspiegel und sein Autor Conrad Heyden. Zu Entstehung,
Inhalt und Bedeutung eines Rechtsbuchs und der Rezeptionszeit“
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
sehr geehrte Frau Rothfuß,
sehr geehrte Damen und Herren!
Zunächst möchte ich mich bei allen Beteiligten ganz herzlich für die große Ehre
bedanken, die mir darin zuteil wird, daß ich heute als Preisträger vor Ihnen stehen
darf. Mein Dank gilt insbesondere Gutachter und Jury, die meine Arbeit für den Preis
ausgewählt haben, sowie der Firma Witzenmann, die den Preis gestiftet hat. Auch
möchte ich an dieser Stelle meinem akademischem Lehrer Herrn Professor Laufs
danken, der das Entstehen meiner Doktorarbeit fruchtbar begleitet hat.
Es sei „zu bewundern, daß ein Mann... sich gerad in dem Fach der Rechtsge-
lehrsamkeit in die trüben Pfützen des Glossatorischen Wustes so sehr versenken
konnte, daß er fast lauter Unsinn denkt und sagt, und hierinn gewiß unter die elend-
sten Schriftsteller seiner Zeit gezählt werden muß...“, schrieb Julius Friedrich
Malblank 1783 über den Autor des Klagspiegels. Hätte er mit diesem Urteil Recht
behalten, so wäre die hier vorgestellte Arbeit nur schwer zu rechtfertigen gewesen,
doch konstatierte bereits 1838 Konrad Franz Roßhirt über den Klagspiegel: „Das
Buch ist unendlich wichtig“. Ähnlich äußerte sich auch der große Erforscher der
historischen deutschen Rechtsliteratur Roderich von Stintzing, der 1867 als erster
dem Klagspiegel eine umfassende Untersuchung widmete.
Ein fester Platz in der Rechtsgeschichte gebührt dem Klagspiegel allein schon
deshalb, weil er als erstes praxisorientiertes, juristisches Lehrbuch in Deutschland gel-
ten kann, in welchem das sich über ganz Europa ausbreitende römische Recht
umfassend dargestellt wurde. Hintergrund des Buches ist also die europäische
Rechtsvereinheitlichung im Zuge der Rezeption des römischen Rechts, ein Phäno-
men, das bis in unsere Zeit nachwirkt, da die meisten europäischen Rechtsordnun-
gen noch heute auf römischem Recht basieren.
Bislang war eine befriedigende Einordnung des Klagspiegels in die Rechtsge-
schichte kaum möglich, da seine Entstehung weitgehend im Dunkeln lag. Anhand
zahlreicher Textstellen ließ sich nun belegen, daß der Klagspiegel bereits um 1436
entstanden ist, also mehr als ein halbes Jahrhundert vor allen vergleichbaren Rechts-
büchern. Nach Jahrzehnten der handschriftlichen Verbreitung erschien der Klag-
spiegel bereits Mitte der Siebzigerjahre des 15. Jahrhunderts im Druck, um noch
weitere vier Auflagen zu erfahren, bevor ihn der bedeutende Straßburger Humanist
Sebastian Brant durch eine inhaltlich unveränderte Neuedition 1516 berühmt mach-
te, so daß sich das Rechtsbuch nun zu einem wahren „Bestseller“ entwickelte und
insgesamt nicht weniger als 24 Auflagen erlebte und noch im 17. Jahrhundert, also
200 Jahre nach seiner Entstehung neu gedruckt und gelesen wurde.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften