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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2004 — 2004

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I. Das Geschäftsjahr 2004
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Antrittsreden
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Wenzel, Friedemann: Antrittsrede vom 31. Januar 2004
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https://doi.org/10.11588/diglit.66960#0110
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122 | ANTRITTSREDEN

Antrittsrede von Herrn FRIEDEMANN WENZEL
an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 31. Januar 2004

Herr Präsident, meine Damen und Herren,

lassen Sie mich zunächst sagen, dass ich meine Aufnah-
me in die Heidelberger Akademie der Wissenschaften
als große Ehre und entsprechend große Verpflichtung
ansehe. Letzteres bezieht sich insbesondere darauf, dass
ich als Leiter der Forschungsstelle „Weltkarte der
Tektonischen Spannungen“ mit meinem Team dem
Namen der Akademie Ehre machen will.
Ich bin 1951 in Immenstadt im Allgäu geboren,
einer Kleinstadt am Fuß der Alpen. Ich wuchs in einer
wahrscheinlich nicht untypischen Nachkriegsfamilie
auf. So stammte mein Vater aus Sudetendeutschland und wurde nur durch die Ergeb-
nisse des Zweiten Weltkrieges nach Bayern verschlagen. Er und auch meine Mutter
hatten während der Kriegszeit nicht nur viele Angehörige, sondern auch alles Mate-
rielle verloren. Deshalb war es keineswegs selbstverständlich, dass die drei Kinder auf
das Gymnasium gehen und später studieren würden. Ich erinnere, dass aus meiner
vierten Klasse Volksschule von 45 Schülern nur drei an das Gymnasium in Oberst-
dorf, 20 km im Süden von Immenstadt, gehen wollten und dies wegen der Aufnah-
meprüfung nur zweien gelang. Darunter war ich. Das Gymnasium war gut, die
Lehrer überwiegend jung, und die naturwissenschaftlichen Fächer Chemie, Physik
und Mathematik interessierten mich sehr. Mit dem naturwissenschaftlichen Zweig
musste man auch die neuen Sprachen (Französisch und Englisch) wählen, was mit
dem Nachteil verbunden war, dass ich nie Latein gelernt habe.
Das Abitur fiel mir leicht und es war klar für mich, dass ich ein naturwissen-


schaftliches Fach studieren würde. Die Wahl der Geophysik ergab sich aus den glei-
chen Gründen, die ich immer wieder bei Kollegen und auch Studenten wiederfin-
de. Das Experimentierfeld des Geophysikers ist eher die Natur als das Labor. Die
Erde selbst, die physikalischen Gesetze, die sie formt und ändert, die Experimente,
die sie uns seit 4,6 Milliarden Jahren vorführt, und von denen viele Spuren bewahrt
sind, ihr Potenzial für Rohstoffe, all diese Dinge können nicht ausschließlich im
Labor verstanden werden. Vielmehr erfordern sie Beobachtungen der Natur, also
Experimente im Feld an den jeweils interessanten Lokationen. Diese Verbindung von
Feldexperiment und Tätigkeit im Labor und am Schreibtisch, die übrigens alle Geo-
wissenschaften charakterisiert, machte für mich damals und macht genauso heute
den Reiz dieser Disziplin aus.
Ich habe Geophysik an der Universität Karlsruhe seit 1971 studiert, wo das
Geophysikalische Institut erst wenige Jahre zuvor von Stefan Müller gegründet wor-
den war. In meinem Semester waren wir nur zu dritt; in den Vorlesungen saßen dem-
zufolge nur wenige Studenten und die Betreuung konnte intensiv sein. Das Institut
 
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