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ANTRITTSREDEN
und konnte ab dem Wintersemester 1968 das Medizinstudium an der Universität
Innsbruck beginnen. Die klinischen Semester habe ich dann in Heidelberg absol-
viert. Nach dem Staatsexamen und der Spezialisierung in Innerer Medizin, Häma-
tologie und Onkologie, habe ich mich 1982 an der Fakultät für Klinische Medizin
der Ruprechts-Karls-Universität Heidelberg habilitiert.
Anfang 1990, nach 14-jähriger Tätigkeit an der damaligen Heidelberger Poli-
klinik, wurde ich als „Full Professor“ an die Umversity of Ottawa, Canada, berufen.
Mein Tätigkeitsbereich umfasste die Leitung der Forschung im Regionalen Krebs-
zentrum in Nordontario, Sudbury, Canada, und die Versorgung von Krebspatienten.
Die Stadt liegt ca. 300 km westlich von Ottawa und 350 km nordwestlich von
Toronto. Das Krebsbehandlungszentrum wurde gerade gebaut und ich habe den
Forschungsbereich und die Knochenmarktransplantationseinheit gegründet. In mei-
nem jugendlichen Eifer hatte ich damals die mit der Isolation verbundenen Schwie-
rigkeiten in der Tundra von Nordontario unterschätzt. Dennoch habe ich innerhalb
von zwei Jahren die Transplantation etabliert und viele Krebspatienten haben davon
profitiert.
Für mich ist es immer erfreulich, jedes Jahr vor Weihnachten Post aus
Nordontario zu bekommen. Besonderes gefällt es mir, wenn sich meine erste
Transplantationspatientin in Sudbury, Michelle, wieder meldet. Sie war an einem
ausgedehnten hochmalignen Lymphom des Brustkorbs erkrankt. Mit einer Bluts-
tammzelltransplantation haben wir ihr damals geholfen und sie ist quicklebendig bis
zum heutigen Tag. Aus Freude am Leben und aus Dankbarkeit schreibt mir Michel-
le jedes Jahr zum Nikolaustag eine Karte. Inzwischen trafen schon 14 dieser Grüße
ein. Sie erzählt von ihrem Ehemann, von ihren Kindern und vor allem wie dankbar
sie ist, dass die Kontrolluntersuchung in diesem Jahr unauffällig war, dass sie sich
jetzt ganz gesund fühlt und die Entwicklung ihrer Enkelkinder erleben darf und
dass das Transplantationsteam damals mitten in der Wildnis von Kanada aufgebaut
wurde.
Es folgte die Berufung zum Professor of Medicine, University of California,
San Diego, U.S.A., im August 1992. In San Diego war ich von 1992 bis 1998 als
Division Chief an der Abteilung für Hämatologie und Onkologie tätig. Im Jahr 1992
befand sich das Gesundheitswesen in den U.S.A. im Umbruch. Clinton wurde
gewählt und trat 1993 sein Amt an. Initial wurde die Diskussion um eine Gesund-
heitsreform eingeleitet durch Frau Hillary Clinton. Es ist ihr zwar nicht gelungen,
irgendwelche gesetzliche Regelungen oder ein substanzielles Instrument zur Kran-
kenversorgung auf breiter Basis durchzusetzen, die Diskussion hat aber Wellenbewe-
gungen drastischer Änderungen herbeigeredet, die überwiegend durch den Wettbe-
werbsdruck des freien Marktes umgesetzt wurden. Das Wirtschaftlichkeitsprinzip
diktierte fortan komplett unser Handeln. Vom Arzt erwartete man, dass er nicht nur
Krankheiten erkennen, behandeln und ihnen eventuell vorbeugen kann, sondern
auch, dass er sich als Unternehmer in Sachen Gesundheit profiliert. Das Rentabi-
litätsgesetz zwang ihn dazu, unter ökonomischem Druck die Untersuchungen zu
kürzen und an Leistungen und Behandlungsmaßnahmen zu sparen. Das hat das Beste
in manchen Kollegen und das Schlimmste in anderen an den Tag gebracht.
ANTRITTSREDEN
und konnte ab dem Wintersemester 1968 das Medizinstudium an der Universität
Innsbruck beginnen. Die klinischen Semester habe ich dann in Heidelberg absol-
viert. Nach dem Staatsexamen und der Spezialisierung in Innerer Medizin, Häma-
tologie und Onkologie, habe ich mich 1982 an der Fakultät für Klinische Medizin
der Ruprechts-Karls-Universität Heidelberg habilitiert.
Anfang 1990, nach 14-jähriger Tätigkeit an der damaligen Heidelberger Poli-
klinik, wurde ich als „Full Professor“ an die Umversity of Ottawa, Canada, berufen.
Mein Tätigkeitsbereich umfasste die Leitung der Forschung im Regionalen Krebs-
zentrum in Nordontario, Sudbury, Canada, und die Versorgung von Krebspatienten.
Die Stadt liegt ca. 300 km westlich von Ottawa und 350 km nordwestlich von
Toronto. Das Krebsbehandlungszentrum wurde gerade gebaut und ich habe den
Forschungsbereich und die Knochenmarktransplantationseinheit gegründet. In mei-
nem jugendlichen Eifer hatte ich damals die mit der Isolation verbundenen Schwie-
rigkeiten in der Tundra von Nordontario unterschätzt. Dennoch habe ich innerhalb
von zwei Jahren die Transplantation etabliert und viele Krebspatienten haben davon
profitiert.
Für mich ist es immer erfreulich, jedes Jahr vor Weihnachten Post aus
Nordontario zu bekommen. Besonderes gefällt es mir, wenn sich meine erste
Transplantationspatientin in Sudbury, Michelle, wieder meldet. Sie war an einem
ausgedehnten hochmalignen Lymphom des Brustkorbs erkrankt. Mit einer Bluts-
tammzelltransplantation haben wir ihr damals geholfen und sie ist quicklebendig bis
zum heutigen Tag. Aus Freude am Leben und aus Dankbarkeit schreibt mir Michel-
le jedes Jahr zum Nikolaustag eine Karte. Inzwischen trafen schon 14 dieser Grüße
ein. Sie erzählt von ihrem Ehemann, von ihren Kindern und vor allem wie dankbar
sie ist, dass die Kontrolluntersuchung in diesem Jahr unauffällig war, dass sie sich
jetzt ganz gesund fühlt und die Entwicklung ihrer Enkelkinder erleben darf und
dass das Transplantationsteam damals mitten in der Wildnis von Kanada aufgebaut
wurde.
Es folgte die Berufung zum Professor of Medicine, University of California,
San Diego, U.S.A., im August 1992. In San Diego war ich von 1992 bis 1998 als
Division Chief an der Abteilung für Hämatologie und Onkologie tätig. Im Jahr 1992
befand sich das Gesundheitswesen in den U.S.A. im Umbruch. Clinton wurde
gewählt und trat 1993 sein Amt an. Initial wurde die Diskussion um eine Gesund-
heitsreform eingeleitet durch Frau Hillary Clinton. Es ist ihr zwar nicht gelungen,
irgendwelche gesetzliche Regelungen oder ein substanzielles Instrument zur Kran-
kenversorgung auf breiter Basis durchzusetzen, die Diskussion hat aber Wellenbewe-
gungen drastischer Änderungen herbeigeredet, die überwiegend durch den Wettbe-
werbsdruck des freien Marktes umgesetzt wurden. Das Wirtschaftlichkeitsprinzip
diktierte fortan komplett unser Handeln. Vom Arzt erwartete man, dass er nicht nur
Krankheiten erkennen, behandeln und ihnen eventuell vorbeugen kann, sondern
auch, dass er sich als Unternehmer in Sachen Gesundheit profiliert. Das Rentabi-
litätsgesetz zwang ihn dazu, unter ökonomischem Druck die Untersuchungen zu
kürzen und an Leistungen und Behandlungsmaßnahmen zu sparen. Das hat das Beste
in manchen Kollegen und das Schlimmste in anderen an den Tag gebracht.