150 | ANTRITTSREDEN
zusammen zu stimmen schien. Hier ließen sich also Brücken schlagen - em Unter-
nehmen, das mir den Ärger der Vertreter beider Richtungen eintrug.
Damit hängt zusammen mein lebenslanges Interesse an der Struktur von Sub-
jektivität, die ich durch Selbstbewusstsein ausgezeichnet sehe. Sie ist schwer zu ana-
lysieren, weil sie uns offenkundig nicht über die Präsentation eines Gegenstandes
erschlossen ist, der sich alsdann als ‘wir selbst’ herausstellen würde. Das lernte ich
(unter anderem) von Dieter Henrich und seinem Nachweis, dass das dominante
Interesse der Neuzeit am Subjekt nicht verhindern konnte, dass sie über keine halt-
bare Theorie des Selbstbewusstseins verfügte. Einem Zeitalter des Desinteresses, ja
des Bemühens um narzisstische Kränkung der Subjektivität - repräsentiert durch die
Namen Darwin, Marx, Freud, Heidegger und Wittgenstein - folgte aber überra-
schend ein Boom an Subjekttheorie(n) in der neueren und neuesten Philosophy of
Mind. Ich habe mich auch hier bemüht, auf der Höhe der Diskussion, auch der neu-
robiologischen zu bleiben und Brücken zu schlagen zwischen unvergesslichen Ein-
sichten der romantisch-idealistischen Tradition und der neuesten Analytischen Phi-
losophie, die ich teilweise - freilich mit begrifflich viel schärfer geschliffenen Waffen
— das Rad neu erfinden sah, so etwa die Einsicht in die Unhaltbarkeit des so genann-
ten Reflexionsmodells von Selbstbewusstsein.
Ein abschließendes Wort zu den äußeren Daten und Lokalitäten meiner beruf-
lichen Laufbahn: Ich bekam nach der Promotion bei Arthur Henkel (und Dieter
Henrich als Prüfern) eine Wissenschaftliche Assistentenstelle für Neuere deutsche
Literaturwissenschaft an der Universität Düsseldorf (bei Arthur Henkels früherem
Assistenten Herbert Anton), nahm nach der Habilitation statt eines Rufs für „Allge-
meine Literaturtheorie“ in Bielefeld den für „philosophie moderne et contempo-
raine“ am Philosophischen Seminar der Universität Genf an (es war die Nachfolge
von Jeanne Herschj.Von dort wechselte ich 1987 ans Philosophische Seminar der
Universität Tübingen, an dem ich trotz einiger verlockender Alternativangebote
geblieben bin und, solange Gott und meine gebrechliche Gesundheit will, bleiben
werde.
Schaue ich zurück, so muss ich urteilen, dass mich meine intellektuellen Vor-
lieben, auch meine Leidenschaft für die Lehre und den Kontakt mit Studierenden in
bergfernere Gefilde entführt haben, als ich im Gespräch mit Professor Simon ahnen
konnte (freilich, mit vielen Studenten und Studentinnen bin ich klettern gegangen,
vor allem in meiner felsennächsten Genfer, aber noch in der Tübinger Zeit, bis eine
tückische Endokarditis meinen Bewegungsdrang brutal einschränkte). Auch kann ich
nicht sagen, dass das Hocken am Schreibtisch, das Stehen oder Sitzen in überfüllten
Hörsälen, in Senat, Fakultät oder Kommissionen meinen Bewegungsdrang besser
gestillt hätte als das behäbige Rundendrehen eines Kustos im naturkundlichen
Museum. Aber es scheint einmal ein metaphysisches Fatum über den Lebensent-
scheidungen von Subjekten zu schweben. Hölderlin bringt es auf den Punkt, wenn
er seufzt, „daß, dien ich einem, mir das andere fehlet“.
zusammen zu stimmen schien. Hier ließen sich also Brücken schlagen - em Unter-
nehmen, das mir den Ärger der Vertreter beider Richtungen eintrug.
Damit hängt zusammen mein lebenslanges Interesse an der Struktur von Sub-
jektivität, die ich durch Selbstbewusstsein ausgezeichnet sehe. Sie ist schwer zu ana-
lysieren, weil sie uns offenkundig nicht über die Präsentation eines Gegenstandes
erschlossen ist, der sich alsdann als ‘wir selbst’ herausstellen würde. Das lernte ich
(unter anderem) von Dieter Henrich und seinem Nachweis, dass das dominante
Interesse der Neuzeit am Subjekt nicht verhindern konnte, dass sie über keine halt-
bare Theorie des Selbstbewusstseins verfügte. Einem Zeitalter des Desinteresses, ja
des Bemühens um narzisstische Kränkung der Subjektivität - repräsentiert durch die
Namen Darwin, Marx, Freud, Heidegger und Wittgenstein - folgte aber überra-
schend ein Boom an Subjekttheorie(n) in der neueren und neuesten Philosophy of
Mind. Ich habe mich auch hier bemüht, auf der Höhe der Diskussion, auch der neu-
robiologischen zu bleiben und Brücken zu schlagen zwischen unvergesslichen Ein-
sichten der romantisch-idealistischen Tradition und der neuesten Analytischen Phi-
losophie, die ich teilweise - freilich mit begrifflich viel schärfer geschliffenen Waffen
— das Rad neu erfinden sah, so etwa die Einsicht in die Unhaltbarkeit des so genann-
ten Reflexionsmodells von Selbstbewusstsein.
Ein abschließendes Wort zu den äußeren Daten und Lokalitäten meiner beruf-
lichen Laufbahn: Ich bekam nach der Promotion bei Arthur Henkel (und Dieter
Henrich als Prüfern) eine Wissenschaftliche Assistentenstelle für Neuere deutsche
Literaturwissenschaft an der Universität Düsseldorf (bei Arthur Henkels früherem
Assistenten Herbert Anton), nahm nach der Habilitation statt eines Rufs für „Allge-
meine Literaturtheorie“ in Bielefeld den für „philosophie moderne et contempo-
raine“ am Philosophischen Seminar der Universität Genf an (es war die Nachfolge
von Jeanne Herschj.Von dort wechselte ich 1987 ans Philosophische Seminar der
Universität Tübingen, an dem ich trotz einiger verlockender Alternativangebote
geblieben bin und, solange Gott und meine gebrechliche Gesundheit will, bleiben
werde.
Schaue ich zurück, so muss ich urteilen, dass mich meine intellektuellen Vor-
lieben, auch meine Leidenschaft für die Lehre und den Kontakt mit Studierenden in
bergfernere Gefilde entführt haben, als ich im Gespräch mit Professor Simon ahnen
konnte (freilich, mit vielen Studenten und Studentinnen bin ich klettern gegangen,
vor allem in meiner felsennächsten Genfer, aber noch in der Tübinger Zeit, bis eine
tückische Endokarditis meinen Bewegungsdrang brutal einschränkte). Auch kann ich
nicht sagen, dass das Hocken am Schreibtisch, das Stehen oder Sitzen in überfüllten
Hörsälen, in Senat, Fakultät oder Kommissionen meinen Bewegungsdrang besser
gestillt hätte als das behäbige Rundendrehen eines Kustos im naturkundlichen
Museum. Aber es scheint einmal ein metaphysisches Fatum über den Lebensent-
scheidungen von Subjekten zu schweben. Hölderlin bringt es auf den Punkt, wenn
er seufzt, „daß, dien ich einem, mir das andere fehlet“.