Das WIN-Kolleg | 255
den, die gut mit den dargestellten Frauen mitfuhlen konnten, den ventromedialen
Teil des Frontalhirns in der ‘Mitfühlen’-Bedingung stärker als Probanden, die weni-
ger gut mitfuhlen konnten. Diese Studie zeigt zweierlei: (1) Neuronale Aktivität in
der putativen Spiegelneuronen-Region im rechtsseitigen inferioren Frontalhirn wird
durch aktive Prozesse verstärkt, scheint aber keine ausreichende Vorraussetzung für
ein erfolgreiches Mitfuhlen mit potentiellen Opfern von Gewalttaten zu sein. (2) Em
echtes Mitfuhlen mit potentiellen Opfern von Gewalttaten scheint auf einer ausrei-
chenden Aktivierung des ventromedialen Frontalhirns zu beruhen.
In der zweiten Studie wurden mimische Reaktionen auf emotionale Gesichts-
ausdrücke mittels Elektromyographie (EMG) untersucht. In dieser Studie sollten die
Probanden die Perspektive wechseln, das heißt, sie sollten einmal ihr eigenes Gefühl
beim Betrachten der dargestellten Person beurteilen und einmal das Gefühl der dar-
gestellten Person. Die Probanden zeigten dabei, im Gegensatz zu unserer ursprüng-
lichen Vermutung, stärkere mimische Reaktionen auf das dargestellte Gesicht, wenn
sie ihr eigenes Gefühl beurteilen sollten, als wenn sie das Gefühl der dargestellten
Person beurteilen sollten, und umgekehrt, stärkere Reaktionen auf einen emotiona-
len Hintergrundreiz, wenn sie das Gefühl der dargestellten Person beurteilen sollten,
als wenn sie ihr eigenes Gefühl beurteilen sollten. Die psychophysiologischen Reak-
tionen der Probanden zeigten das gleiche Muster: Emotionale Reaktionen auf das
Gesicht waren stets ausgeprägter, wenn das eigene Gefühl beurteilt werden sollte und
schwächer, wenn das Gefühl der dargestellten Person beurteilt werden sollte. Dieses
zunächst überraschende Ergebnis deutet daraufhin, dass die Beurteilung des eigenen
Gefühls in Gegenwart einer anderen Person möglicherweise dem aktiven Mitfühlen
mit dieser Person recht ähnlich ist, während die Beurteilung des Gefühls einer ande-
ren Person kein aktives Mitfühlen verlangt. Außerdem zeigt diese Studie eindrucks-
voll die Dominanz menschlicher Gesichtsausdrücke über emotionale Hintergrund-
stimuli: In allen Bedingungen waren die Reaktionen auf das Gesicht stärker als auf
den emotionalen Hintergrundreiz (ein aversiv konditionierter visueller Stimulus, der
üblicherweise starke emotionale Reaktionen hervorruft).
„Neuronale Repräsentation von emotionalen Bildern und Geräuschen — Interaktionen und
Verbalisierungen “
Plastizität motivierter Aufmerksamkeit in der frühen visuellen Verarbeitung
Evolutionär bedeutsame Reize wie Angriffsszenen oder erotisches Material scheinen
aufgrund ihrer genetischen Verankerung in besonderer Weise in der Lage zu sein,
Aufmerksamkeit des Organismus auf sich zu ziehen. Korrelate motivierter Aufmerk-
samkeit wurden daher wiederholt vornehmlich durch die Verwendung eben dieser
Reizklassen erklärt. Die hohe Bedeutung von Lernprozessen in der menschlichen
Entwicklung lässt jedoch an der Abhängigkeit von genetischer Prädisposition zwei-
feln. Zur Untersuchung der Plastizität von Korrelaten motivierter Aufmerksamkeit
in der visuellen frühen Verarbeitung, wurde daher versucht mittels kreuzmodaler
klassischer Konditionierung vormals neutralen Reizen emotionale Bedeutung zu
verleihen. Als unkonditionierte Reize (UCS) wurden komplexe und standardisierte
den, die gut mit den dargestellten Frauen mitfuhlen konnten, den ventromedialen
Teil des Frontalhirns in der ‘Mitfühlen’-Bedingung stärker als Probanden, die weni-
ger gut mitfuhlen konnten. Diese Studie zeigt zweierlei: (1) Neuronale Aktivität in
der putativen Spiegelneuronen-Region im rechtsseitigen inferioren Frontalhirn wird
durch aktive Prozesse verstärkt, scheint aber keine ausreichende Vorraussetzung für
ein erfolgreiches Mitfuhlen mit potentiellen Opfern von Gewalttaten zu sein. (2) Em
echtes Mitfuhlen mit potentiellen Opfern von Gewalttaten scheint auf einer ausrei-
chenden Aktivierung des ventromedialen Frontalhirns zu beruhen.
In der zweiten Studie wurden mimische Reaktionen auf emotionale Gesichts-
ausdrücke mittels Elektromyographie (EMG) untersucht. In dieser Studie sollten die
Probanden die Perspektive wechseln, das heißt, sie sollten einmal ihr eigenes Gefühl
beim Betrachten der dargestellten Person beurteilen und einmal das Gefühl der dar-
gestellten Person. Die Probanden zeigten dabei, im Gegensatz zu unserer ursprüng-
lichen Vermutung, stärkere mimische Reaktionen auf das dargestellte Gesicht, wenn
sie ihr eigenes Gefühl beurteilen sollten, als wenn sie das Gefühl der dargestellten
Person beurteilen sollten, und umgekehrt, stärkere Reaktionen auf einen emotiona-
len Hintergrundreiz, wenn sie das Gefühl der dargestellten Person beurteilen sollten,
als wenn sie ihr eigenes Gefühl beurteilen sollten. Die psychophysiologischen Reak-
tionen der Probanden zeigten das gleiche Muster: Emotionale Reaktionen auf das
Gesicht waren stets ausgeprägter, wenn das eigene Gefühl beurteilt werden sollte und
schwächer, wenn das Gefühl der dargestellten Person beurteilt werden sollte. Dieses
zunächst überraschende Ergebnis deutet daraufhin, dass die Beurteilung des eigenen
Gefühls in Gegenwart einer anderen Person möglicherweise dem aktiven Mitfühlen
mit dieser Person recht ähnlich ist, während die Beurteilung des Gefühls einer ande-
ren Person kein aktives Mitfühlen verlangt. Außerdem zeigt diese Studie eindrucks-
voll die Dominanz menschlicher Gesichtsausdrücke über emotionale Hintergrund-
stimuli: In allen Bedingungen waren die Reaktionen auf das Gesicht stärker als auf
den emotionalen Hintergrundreiz (ein aversiv konditionierter visueller Stimulus, der
üblicherweise starke emotionale Reaktionen hervorruft).
„Neuronale Repräsentation von emotionalen Bildern und Geräuschen — Interaktionen und
Verbalisierungen “
Plastizität motivierter Aufmerksamkeit in der frühen visuellen Verarbeitung
Evolutionär bedeutsame Reize wie Angriffsszenen oder erotisches Material scheinen
aufgrund ihrer genetischen Verankerung in besonderer Weise in der Lage zu sein,
Aufmerksamkeit des Organismus auf sich zu ziehen. Korrelate motivierter Aufmerk-
samkeit wurden daher wiederholt vornehmlich durch die Verwendung eben dieser
Reizklassen erklärt. Die hohe Bedeutung von Lernprozessen in der menschlichen
Entwicklung lässt jedoch an der Abhängigkeit von genetischer Prädisposition zwei-
feln. Zur Untersuchung der Plastizität von Korrelaten motivierter Aufmerksamkeit
in der visuellen frühen Verarbeitung, wurde daher versucht mittels kreuzmodaler
klassischer Konditionierung vormals neutralen Reizen emotionale Bedeutung zu
verleihen. Als unkonditionierte Reize (UCS) wurden komplexe und standardisierte