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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2004 — 2004

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III. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses: Das WIN-Kolleg
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2. Forschungsschwerpunkt: Kulturelle Grundlagen der Europäischen Einigung
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https://doi.org/10.11588/diglit.66960#0274
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FÖRDERUNG DES WISSENSCHAFTLICHEN NACHWUCHSES

Ärzteschaft, nicht unerwähnt bleiben. Ibn Makki, sein medizinisches Umfeld und,
allgemeiner, das von ihm mit geprägte intellektuelle Milieu in Damaskus sind noch
nicht näher untersucht, wie prinzipell Untersuchungen zu Wissenschaft und Gesell-
schaft der späten Mamlukenzeit in Syrien der Einschränkung unterworfen sind, daß
die zu untersuchenden Quellen in den Bibliotheken vor Ort nur unzureichend
erfaßt und publiziert sind. Man kann aber wohl für die Nach-Ayyubiden-Zeit ein
zunehmendes Auseinanderdriften von Theorie und Praxis in der Medizin konstatie-
ren. An die Stelle des gebildeten Arztes früherer Zeiten, wie er einst als Universalge-
lehrter und Praktiker von Rhazes oder Avicenna personifiziert worden war, treten
nun Gelehrte, die in der theoretischen Medizin glänzten, die praktische Ausübung
aber gerne den als Handwerker klassifizierten Praktikern überließen.
Die Gründe für diese Entwicklung liegen auch in der unter den Mamluken
vollzogenen Hinwendung zu Orthodoxie und Mystik, die alle Lebensbereiche
durchdringen sollte. Ein gebildeter Mann war zunächst Gelehrter im religiösen
Bereich; zu seiner Ausbildung zählten jedoch auch nicht-religiöse Themen wie
Mathematik oder Astronomie, und als ein Aspekt unter anderen wurde auch die
theoretische Medizin zum Curriculum eines Gelehrten gerechnet, der aufgrund sei-
ner Ausbildung Zugang zu den höchsten Staatsämtern hatte. Als Folge dieser intel-
lektuellen Entwicklung wurde die praktische Medizin anscheinend denjenigen
überlassen, die es sich nicht leisten konnten, eine hohe Staatslaufbahn einzuschlagen
oder die als Nicht-Muslime unter den Mamluken keinen Zugang mehr zu dieser
Sphäre hatten. So kann es nicht erstaunen, daß es bereits im 16. Jahrhundert in der
herrschenden Klasse in Ägypten und Syrien Mode wurde, europäische Ärzte zu
engagieren. Aufmerksam wurde man auf die europäische Medizin durch die Präsenz
europäischer Konsulate in ihren eigenen Stadtvierteln, mit ihren eigenen Ärzten und
Apotheken.
Wie schon in der Vor-Mamlukenzeit waren Ärzte gleich welcher Seriosität
häufig ,Arzt im Nebenberuf’. Auf höchster Ebene waren sie im Hauptberuf Gelehr-
te der religiösen Studien, auf den unteren und mehr und mehr praktischen Niveaus
Handwerker jeglicher Ausrichtung und vor allem auch nach wie vor Händler. In der
Tradition des Propheten Mulammad galt Handel als das edelste Gewerbe in der isla-
mischen Gesellschaft, und es liegen nicht wenige Beispiele von Ärzten vor, die als
Sprößlmge großer Handelsfamilien von den Einkünften des Familienunternehmens
lebten, selbst wenn sie die meiste Zeit des Tages mit medizinischen Verrichtungen
verbrachten. Letzteres ist angesichts von Alpagos umfangreicher merkantiler Betäti-
gungen von großer Bedeutung für diese Untersuchung, denn es mag sich aus die-
sem Umstand mancher Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung erleichtert
haben. Alpagos Aktivitäten im Orient als mehr oder weniger praktizierender Arzt, als
Wissenschaftler, Händler und auch Spion erscheinen weniger erstaunlich, wenn sein
kulturelles Umfeld in Damaskus berücksichtiget wird. Weitgehend offen bleiben
jedoch vorerst die Fragen zu seiner medizinischen Qualifikation und ärztlichen Pra-
xis. Die Forschungen zu diesem Komplex werden fortgeführt.
 
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