Metadaten

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2015 — 2016

DOI Kapitel:
A. Das akademische Jahr 2015
DOI Kapitel:
III. Veranstaltungen
DOI Kapitel:
Mitarbeitervortragsreihe „Wir forschen. Für Sie“
DOI Artikel:
Strauch, Timo: Von Flussgöttern, Rossebändigern und Tempeln: auf den Spuren antiker Kunst und Architektur in der Renaissance
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55653#0113
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Mitarbeitervortragsreihe „Wir forschen. Für Sie'

erfahren, wie oft einzelne Monumente ihren Besitzer wechselten, bevor sie an ih-
ren heutigen Aufbewahrungsort gelangten oder verloren gingen, wie etwa bei den
vierzehn Skulpturen, Altären und Architekturfragmenten, die sich um 1500 in der
Sammlung von Giovanni Ciampolini in Rom befanden und von denen heute nur
sieben erhalten und in Museen in Mantua, Florenz, Rom und Neapel zu finden
sind. Oder man erkennt, wie verbreitet die Praxis des zeichnerischen Kopierens
grafischer Vorlagen war, das sich mal in eindeutigen Archetyp-Kopie-Verhältnissen
zeigt, wie bei Michelangelos Kopien nach den Architekturdetails im Codex Coner,
und mal zur Bildung regelrechter Netzwerke paralleler Kopien führt, wie im Fall
von Raffaels Aufnahmen der Vorhalle und der Cella des Pantheons, von denen
Kopien verschiedener anonymer Zeichner auf neun verstreuten Einzelblättern
bekannt sind, von denen einige voneinander abhängig, aber ohne Kenntnis des
ursprünglichen Originals entstanden sind.
War der Census bei seiner Gründung in erster Linie als Hilfsmittel für die
kunsthistorische Renaissanceforschung gedacht, war er gleichermaßen von Beginn
an eine Quellensammlung für die Archäologie. Aufgrund der kontinuierlichen
und weit ausgreifenden Sammlung von Daten liefert er mittlerweile aber auch
eine fundierte Basis für Fragestellungen aus Nachbardisziplinen wie der Philologie
und der Wissenschaftsgeschichte. Als umfangreiches elektronisches Verzeichnis
semantisch miteinander verknüpfter Daten über Objekte, Personen und Orte ist
der Census außerdem bereits selbst Gegenstand netzwerktheoretischer Forschun-
gen geworden.
In seinem aktuellen Schwerpunkt widmet sich der Census einer Auswahl von
bedeutenden Konvoluten von Architekturzeichnungen aus der zweiten Hälfte des
16. Jahrhunderts. Der Holzbildhauer Alberto Alberti aus Borgo Sansepolcro (um
1525- 1598) studierte die antiken Ruinen Roms über mehrere Jahrzehnte hinweg
auf das gründlichste und fertigte von vielen überaus detailreiche, großformatige
Zeichnungen an. Seine zahlreichen Anmerkungen zu Materialien oder Fundorten
von zu seiner Zeit neu ergrabenen Fragmenten liefern wichtige Ergänzungen für
die Datenbank. Voraussetzung für die Bearbeitung der Zeichnungen ist die vom
Census initiierte Digitalisierung der Zeichnungen im Istituto Centrale per la Gra-
fica in Rom. Die Einbindung der Aufnahmen in die Online-Datenbank macht
diesen im Original äußerst fragilen Schatz der Forschung und einem breiteren
Publikum auf optimale Weise zugänglich.
Seit einigen Jahren erweitert der Census durch Kooperationen mit inhaltlich
benachbarten Projekten seinen zeitlichen Horizont. Schrittweise werden die Da-
ten des von der Winckelmann-Gesellschaft Stendal erstellten Corpus der antiken
Denkmäler, die Johann Joachim Winckelmann und seiner Zeit bekannt waren, in
den Census übertragen, und das Adolph-Goldschmidt-Zentrum zur Erforschung
der romanischen Skulptur (HU Berlin) widmet sich an ausgewählten Fallbeispie-
len der Rezeption und Adaption antiker Motive in der Kunst des Mittelalters. Es

113
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften